Kein falscher Rat an Anleger

eingestellt am 14.11.2006

Pressemitteilung



Anwälte dürfen öffentlich nicht zum Ausstieg aus der Südwest Finanz Vermittlung Zweite AG raten


    
Landgericht Hamburg, Beschluss vom 17.10.2006 - AZ.: 324 O 716/06

Rechtsanwalt Oliver Renner von der Stuttgarter Kanzlei Wüterich & Breucker hat für die Südwest Finanz Vermittlung Zweite AG gegen eine Anwaltskanzlei, welche auf deren Homepage den Anlegern geraten hat, den Ausstieg aus der Südwest Finanz Vermittlung Zweite AG vorzunehmen, mit Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 17.10.2006 (AZ.: 324/06) eine einstweilige Verfügung erstritten, wonach der Kanzlei ein solches Vorgehen untersagt worden ist. Zudem wurde der Kanzlei verboten, Verdachtsbehauptungen aufzustellen, da hierzu keinerlei Anknüpfungstatsachen vorhanden waren. Den Beschluss des Landgerichts legen wir in der Anlage bei.

Vor allem in den letzten Jahren ist vermehrt zu beobachten, dass Rechtsanwaltskanzleien, die sich auf so genanntes "Anlegerschutzrecht" spezialisiert haben, um Anleger werben, die sich an Kapitalanlagen beteiligt haben. Die Gründe liegen zum einen darin, dass der Anwaltsmarkt sehr eng geworden und daher das "Ringen" um die Anleger als neue Mandanten teilweise existentiell ist. Zum anderen hat sich das anwaltliche Werberecht liberalisiert, so dass gewisse Werbeformen - anders als früher - heute erlaubt sind. Entstehen oder Bestehen bei einer Kapitalanlage - teilweise auch nur scheinbar - Schwierigkeiten, treten immer mehr Rechtsanwaltskanzleien auf den Plan und wenden sich gezielt mit Informationen an die Öffentlichkeit.

Die Grenzen der anwaltlichen Werbung dürfen aber nicht überschritten werden. Insbesondere das Verbreiten von unwahren Tatsachen über eine bestimmte Kapitalanlage sind zu verurteilende Mittel, mit denen Rechtsanwälte Anleger von Kapitalanlagen an sich binden wollen. Oftmals wird versucht, bei den Anlegern bis dahin ggf. noch gar nicht vorhandenen Beratungs-, wenn nicht sogar Handlungsbedarf gezielt wecken. In diesem Fall liegt oftmals eine unerlaubte Mandatswerbung vor. Zur Abwehr gezielter Mandatswerbung besteht Bedürfnis, da sie auf Desinformation hinausläuft und zudem in den Anwaltsberuf gewerbliche Vermarktungsstrategien einführt werden (so auch: Ring, Wettbewerbsrecht, Seite 219 ff.).

Ob durch "Anlegeranschreiben" oder Internetauftritt einer Anwaltskanzlei ein unerlaubtes Werben um Einzelmandate vorliegt ist eine Wertungsfrage. Es müsste sich bei dem Schreiben oder dem Inhalt der Homepage um Werbung im Sinne des § 43b Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) handeln. Werbung ist demnach jedes Verhalten, das planvoll darauf angelegt ist, andere dafür zu gewinnen, die Leistungen des Werbenden in Anspruch zu nehmen (OLG Hamburg, NJW 2004, 1668). Der Verstoß gegen das anwaltliche Werbeverbot ist dabei wettbewerbswidrig und wird von den Rechtsanwaltskammern - ggf. nach Anzeige - geahndet. Es kommt hierbei auf die Wirkung beim Adressaten an. Wenn ein Appell zur Mandatierung gegeben ist, liegt eine unzulässige Werbung vor (so: Landgericht Berlin, Beschluss vom 22.06.2006 - AZ.: 16 O 566/06).

Der Emittent muss es zudem nicht dulden, dass deren Firmenname auf der Internetseite einer Anwaltskanzlei ausdrücklich genannt wird. Das Unternehmen und dessen unternehmerische Tätigkeit werden hierdurch mit einem "Makel des Unlauteren" belegt, da hierdurch der Eindruck vermittelt wird, dass gegenüber dem Unternehmen die Notwendigkeit von außergerichtlichen oder gar gerichtlichen Tätigwerden der Anwaltskanzlei zugunsten von Kapitalanlegern besteht. Die werbenden Rechtsanwälte, so das Kammergericht in einer Entscheidung vom 30.09.2005, machen sich die Namen der Gegner ihrer Mandanten und der eigenen Kanzlei für ihre wirtschaftlichen Interessen zu nutze. Auf die Meinungsfreiheit oder Berufsfreiheit können sich Rechtsanwälte bei einer solchen Art der Werbung nicht berufen (Kammergericht, Urteil vom 30.09.2005 - 9 U 21/04 - NJW-RR 2005, 1709; BRAK 2006, 40 ff.).

Soweit in anwaltlichen Rundschreiben, welche an Anleger gerichtet sind oder dem Internetauftritt einer Kanzlei unwahre Tatsachenbehauptungen oder Verdachtsbehauptungen ohne Vorliegen von Anknüpfungstatsachen verbreitet werden, kann von der Kanzlei ein Unterlassen sowie ein Widerruf verlangt werden. Der Anspruch ergibt sich aus §§ 823, 824, 1004 BGB wegen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Ein solches Verhalten stellt zudem oftmals auch eine Anschwärzung und Kreditgefährdung im Sinn des § 824 BGB dar. Die unwahren (Verdachts-) Behauptungen sind insbesondere bei emittierenden Gesellschaften oder tätigen Vertriebsgesellschaften in hohem Maße kreditschädigend und geeignet, deren Ansehen im Wirtschaftsleben, bspw. gegenüber Investoren sowie Geschäftspartnern und insbesondere im Kreise der Anleger nachhaltig zu schädigen. Der Begriff der "Behauptung" ist dabei weit zu fassen. Es genügen bereits Mitteilungen in "versteckter Form". So reicht es aus, wenn zwar keine konkrete Tatsache mitgeteilt wird, wohl aber von einer bloßen Möglichkeit, einem Verdacht, einem Gerücht, einer Wahrscheinlichkeit etc. gesprochen wird.


Stuttgart, den 14.11.2006

gez. Rechtsanwalt Oliver Renner
Vorstandsmitglied Rechtsforum Finanzdienstleistung e.V., Hamburg
E-Mail: O.Renner@wueterich-breucker.de

WÜTERICH BREUCKER Rechtsanwälte

PM1206-Anwaelte-duerfen-nicht-zum-Ausstieg-raten-LG-Hamburg.pdf



Kommentare

- Es sind noch keine Kommentare vorhanden. -