Einbeziehung Dritter in laufende Gerichtsverfahren („Streitverkündung“) in England

eingestellt am 07.05.2015

Hat eine Partei im Falle des Obsiegens oder Unterliegens in einem Rechtsstreit ihrerseits Ansprüche gegen einen Dritten oder muss sie Ansprüche eines Dritten befürchten, so stellt sich die Frage, ob sie den Dritten an die gerichtlichen Feststellungen oder jedenfalls das Ergebnis des aktuellen Rechtsstreits binden kann. Andernfalls besteht die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Im „worst case“ droht der Partei ein zweifaches Unterliegen, obwohl sie der Sache nach eines der beiden Verfahren gewinnen müsste.

In Deutschland sieht die Zivilprozessordnung (ZPO) für solche Fälle das Institut der „Streitverkündung“ vor (näher dazu: http://de.slideshare.net/MariusBreucker/die-streitverkndung-im-zivilprozess). Eine Streitverkündung in dieser Form ist in England nicht bekannt. Daher muss gegen den Dritten ein getrenntes Verfahren im laufenden Prozess angestrengt werden. Die Verfahren sind zwar verbunden, für die Eröffnung müssen jedoch wie bei einer normalen Klage sämtliche Voraussetzungen vorliegen.

Streitverk-ndung-Zivilprozess-Absicherung

Eine Streitverkündigung dient im deutschen Zivilprozess der Absicherung bei prozessualen Dreieckskonstellationen


Die EU Verordnung 1215/2012 (bis 9. Januar 2015 galt die EU Verordnung 44/2001) sieht vor, dass ein Dritter in den Prozess einbezogen werden kann, wenn ein sachlicher Zusammenhang besteht. Auf diese Weise sollen parallele Verfahren vor unterschiedlichen Gerichten mit unter Umständen divergierenden Entscheidungen vermieden werden.

Konflikte können sich ergeben, wenn die Beteiligten – wie häufig in Verträgen zwischen Unternehmen – eine Vereinbarung über die Zuständigkeit des Gerichts („Gerichtsstandsklausel“) getroffen haben. Wenn eine Partei im laufenden Verfahren in England einen Dritten am Prozess beteiligen will, mit dem sie vertraglich einen ausschließlichen Gerichtsstand außerhalb von England vereinbart hat, dann stellt sich die Frage, ob der Dritte dennoch aufgrund des sachlichen Zusammenhangs in den Prozess einbezogen werden kann. Artikel 8 Nr. 1 EU Verordnung 1215/2012 sieht vor, dass eine Klage gegen einen Dritten erhoben werden kann, wenn zwischen der Klage gegen den bisherigen Beklagten und der neuen Klage gegen den Dritten ein so enger Zusammenhang besteht, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint.

Die englischen Gerichte haben diese Möglichkeit bisher verneint und den individuellen Parteiwillen aus der Gerichtsstandsvereinbarung höher eingestuft als das EU-Recht (Hough v P & O Containers Ltd [1999] QB 834, [1998] 2 All ER 978). Das Ergebnis erscheint zweifelhaft, da die EU Verordnung vermeiden will, dass in inhaltlich zusammenhängenden Angelegenheiten Gerichte in verschiedenen Jurisdiktionen angerufen werden (müssen) und dann unter Umständen gegensätzlich entscheiden.

In Fragen des englischen und walisischen Rechts kooperiert die Kanzlei Wüterich Breucker mit der Kanzlei ZIMMERs in London:

http://zimmerslaw.com/

Komprimierte Hinweise zur Praxis der Streitverkündigung im deutschen Zivilprozess finden Sie unter:

http://www.presseportal.co.uk/praxis-der-streitverkundung-im-zivilprozess.html

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