Fall Pechstein: OLG München erklärt Schiedsvereinbarung für unwirksam

eingestellt am 15.01.2015

Im Rechtsstreit der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein gegen den Internationalen Eisschnelllaufverband ISU verkündete das Oberlandesgericht München am 15. Januar 2015 ein Zwischenurteil. Demnach ist die Schadensersatzklage der Athletin gegen die ISU zulässig. In der Begründung führt der Kartellsenat aus, dass die zwischen der Athletin und dem Internationalen Eisschnelllaufverband geschlossene Schiedsvereinbarung unwirksam sei. Die ISU könne sich demnach nicht auf die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit berufen. Damit ist das Oberlandesgericht zuständig. „Das Zwischenurteil betrifft allein die Zulässigkeit. Eine inhaltliche Aussage, ob die Dopingsperre zu Recht erfolgte oder nicht, ist damit noch nicht verbunden“, erklärt Rechtsanwalt Marius Breucker aus der Stuttgarter Kanzlei Wüterich Breucker.

Revision zugelassen


Zugleich ließ das Oberlandesgericht die Revision gegen das Zwischenurteil zu. Die ISU kann demnach innerhalb eines Monats nach Zustellung des Berufungsurteils Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) einlegen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils muss die ISU eine etwaige Revision begründen. Sollte die ISU auf eine Revision verzichten oder aber der Bundesgerichtshof das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts München bestätigen, so könnte das OLG in der Sache entscheiden. Es ist dabei – wie es im Zwischenurteil vom 15. Januar 2015 klarstellt – nicht an den Schiedsspruch des Court of Arbitration for Sport gebunden. Dieser ist in Deutschland wegen Verstoßes gegen den ordre public nicht anerkennungsfähig. Dies folgt ausweislich des Senates aus dem Verstoß gegen grundlegende Bestimmungen des Kartellrechts: Der Internationale Eisschnelllaufverband habe für die Durchführung von Weltmeisterschaften im Eisschnelllauf eine Monopolstellung inne. Indem er von allen Athleten als Voraussetzung für die Teilnahme die Unterzeichnung einer Schiedsvereinbarung mit Zuständigkeit des Court of Arbitration for Sport (CAS) forderte, habe er seine marktbeherrschende Stellung missbraucht.


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Schiedsvereinbarung zum CAS unwirksam

Der Senat trifft ausweislich der Pressemitteilung des Oberlandesgerichts München vom 15. Januar 2015 keine Entscheidung, ob Schiedsvereinbarungen im Sport als Voraussetzung für die Teilnahme an Wettkämpfen generell zulässig oder unzulässig sind. Vielmehr stellt er auf den konkreten Fall ab, in dem die ISU die Zustimmung zur Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS verlangte. Der CAS habe zum Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarung keine hinreichenden Vorkehrungen gegen die Befürchtung einer Einflussnahme auf die Richterbesetzung getroffen. Vielmehr sei das maßgebliche Gremium, welches die verbindliche Schiedsrichterliste zusammenstellt, überwiegend von Vertretern der Verbände besetzt. Die internationalen Sportverbände, das Nationale und das Internationale Olympische Komitee hätten demnach bestimmenden Einfluss auf die Auswahl der Personen gehabt, die als Schiedsrichter in Betracht kommen. „Die Verfahrensordnung des CAS sieht vor, dass die Parteien die Schiedsrichter nur aus der offiziellen CAS-Schiedsrichterliste bestellen können“, erläutert Sportrechtsanwalt Marius Breucker die Hintergründe.

Hinzu komme, so das Oberlandesgericht München, dass der Vorsitzende des jeweiligen Schiedsgerichts vom Präsidenten der Berufungsabteilung des CAS bestimmt werde, wenn sich die Parteien insoweit nicht einigen können. Der Präsident der Berufungsabteilung werde aber seinerseits durch die Mehrheit des Gremiums gewählt, welches überwiegend von den von den Verbänden ernannten Vertretern besetzt wird. Damit könnten letztlich die Verbände zusätzlichen Einfluss auf die Zusammensetzung des konkreten Schiedsgerichts ausüben. Es sei daher nachvollziehbar, dass das Vertrauen der Beteiligten in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit des Schiedsgerichts nicht hinreichend gewährleistet sei.


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Rechtsanwalt Marius Breucker vertrat den Deutschen Verband (DESG) im Sportgerichtsverfahren und vor dem Landgericht München.


Anschein fehlender Unparteilichkeit


Der Senat wies darauf hin, dass es für die Frage einer Befangenheit nicht darauf ankomme, ob ein Schiedsrichter tatsächlich neutral sei oder nicht. Vielmehr komme es darauf an, ob aus der subjektiven Sicht eines Beteiligten ein Grund vorliege, der geeignet ist, Misstrauen hinsichtlich der Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen – unabhängig davon, ob der Richter oder die Richterin tatsächlich unparteilich ist oder nicht. Der bloße Anschein einer etwa fehlenden Unparteilichkeit genügt, um eine Befangenheit zu bejahen. Vor diesem Hintergrund sieht das Oberlandesgericht eine erzwungene Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS in seiner derzeitigen Struktur als Verstoß gegen das zwingende Kartellrecht, namentlich gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).

Folgen für die Sportschiedsgerichtsbarkeit


„Ausweislich der Pressemitteilung vom 15. Januar stellt das Oberlandesgericht nicht generell die Sportschiedsgerichtsbarkeit in Frage, sondern verneint die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen zugunsten des CAS in seiner derzeitigen Ausgestaltung“, ordnet Rechtsanwalt Marius Breucker das Urteil in einer ersten Reaktion ein. Unter Sportjuristen wurde schon seit längerem diskutiert, dass die Organisation des CAS reformiert werden müsse. „Insofern ist das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts konsequent und gibt vielleicht den nötigen Schub, um die Struktur des CAS zu reformieren“, hofft Marius Breucker. Der Sport ist aufgrund seines internationalen Charakters auf eine einheitliche, von einzelnen Staaten unabhängige Rechtsprechung angewiesen. Insofern wäre dem Sport zu wünschen, dass er das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts nicht als Angriff, sondern als Chance begreift. „Der CAS sollte nicht abwarten, ob der Bundesgerichtshof in einer etwaigen Revision das Zwischenurteil bestätigt oder nicht. Vielmehr sollte er die Hinweise des Gerichts aufgreifen – sie können dem Sportschiedsverfahren und allen Beteiligten nur dienen!“, so Marius Breucker. Er hatte die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) in erster Instanz vertreten. Die Klage der Athletin gegen die DESG wurde rechtskräftig abgewiesen.



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