Integrität von Sportverbänden – auch eine Frage der Organisation

eingestellt am 01.03.2015

Integrität ist eine Herausforderung für die handelnden Personen, aber auch für die Organisation internationaler Spitzensportverbände. Dies war eines der wesentlichen Ergebnisse des elften Stuttgarter Sportgesprächs am 2. Februar 2015. Wenn Sportverbände wie die FIFA mit Milliardenumsätzen noch wie klassische Vereine organisiert seien, leiste dies der Intransparenz und der Entstehung von „Patronage-Netzwerken“ Vorschub, so der Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth, ehemaliger Leiter der Unabhängigen Governance-Kommission der FIFA. Der schweizerische Staat hätte durchaus die Möglichkeit, für größere Transparenz zu sorgen, indem er Anforderungen an die Organisation von „non-profit-organisations“ mit Sitz in der Schweiz stellt. Man befürchte aber die Abwanderung der Sportverbände, solange andere Staaten nicht vergleichbare Standards setzten. Die Schweiz neige daher nach wie vor dazu, als „Piratenstaat zu agieren“, so Pieth.

Pieth

Professor Mark Pieth


Schon im einführenden Impulsreferat hatte Rechtsanwalt Dr. Christoph Wüterich von der Stuttgarter Kanzlei Wüterich Breucker auf den Zusammenhang zwischen Organisationsstruktur und Verhalten hingewiesen: Internationale Sportverbände seien eben nicht per se den demokratischen oder rechtsstaatlichen Standards unterworfen, sondern seien in der Ausgestaltung ihrer Organisation weitgehend frei. Demnach funktionierten Abstimmungen dort häufig nach dem Prinzip des Gebens und Nehmens. Dies bestätigte Professor Pieth, der aus seiner Erfahrung unter anderem als Präsident der OECD-Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Korruption im internationalen Geschäftsverkehr berichtete, dass Wirtschaftsunternehmen und Staaten leichter zu reformieren seien als Sportverbände.

Dr-wue

Dr. Christoph Wüterich


Probleme der Integrität stellen sich aber nicht nur für Sportorganisationen. Christoph Wüterich sprach die Protagonisten des Sports und deren Gefährdungen an: Die Sportler selbst verletzten durch Doping und anderen Manipulationen von Wettbewerben ebenso Grundsätze der Integrität wie potentiell Wirtschaftsunternehmen, wenn sie etwa mehrere Vereine in der gleichen Liga unterstützten. Auch der Rechtsformmissbrauch des Vereins sei unter diesem Aspekt kritisch zu sehen, wie das Beispiel RB Leipzig zeige. Dort gebe es zwar offiziell einen eigenständigen Verein, der aber faktisch vom Hauptsponsor dominiert werde. Auch die Medien, die oftmals besonders hohe Ansprüche an die Sportler und Sportfunktionäre stellten, müssten sich fragen lassen, ob sie selbst immer diesen Standards gerecht würden. So komme es in manchen Medien zu Vorverurteilungen vermeintlich korrupter Sportfunktionäre oder dopender Athleten.

Die heute in der Wirtschaft tätige, ehemalige Nationalspielerin Katja Kraus bestätigte die Bedeutung professioneller Strukturen im Sport: Zwar werde teilweise das Engagement von Unternehmen etwa für Fußballvereine kritisiert, doch führe dieses auch zu einer Niveausteigerung im Management, das letztlich der Sache zugute komme und Integritätsstandards fördere.

Kraus

Katja Kraus



Der stellvertretende Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages Reinhard Grindel verwies in seiner Funktion als DFB-Schatzmeister darauf, dass der Deutsche Fußball-Bund auf eine transparente und gerechte Verteilung der eingenommenen Gelder achte. Dies sei beispielhaft anhand der Einnahmen nach Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 2014 zu sehen.

Anno Hecker, Leiter der Sportredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Anno Hecker, griff diesen Hinweis auf: Auch der Sportjournalismus müsse sich am Grundsatz der Integrität messen lassen. Er sei daher froh, dass man etwa im Falle Claudia Pechstein von Anfang an auch auf Zweifel am gerichtsfesten Dopingnachweis hingewiesen habe. Angesprochen auf die Bezahlung von Sportjournalisten bei der Handball-Weltmeisterschaft in Katar stellte Anno Hecker klar, dass dies für seine Zeitung nicht in Betracht komme und der eigene Berichterstatter folgerichtig von der FAZ bezahlt worden sei.


M-Breu

Dr. Matthias Breucker


Zur elften Auflage des Sportgesprächs konnte Dr. Matthias Breucker knapp 300 geladene Teilnehmer im Haus des Sports begrüßen. Die Veranstaltung gilt laut Stuttgarter Zeitung mittlerweile als „eines der führenden deutschen sportpolitischen Foren“.

Kommentare

- Es sind noch keine Kommentare vorhanden. -