Nachfrageobliegenheit des Versicherers

eingestellt am 07.02.2013

Nachfrageobliegenheit des Versicherers nur bei widersprüchlichen und unvollständigen Angaben des Versicherungsnehmers

 

OLG Köln, Urteil vom 05.06.2013 – 20 U 1/12 -

 

Die Versicherungsnehmerin, die von Beruf Krankenschwester ist, beantragte im März 2002 bei dem Versicherer den Abschuss einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Im Antragsformular, das von einem Versicherungsvermittler ausgefüllt wurde, waren sämtliche Gesundheitsfragen mit "nein" beantwortet, so auch die Frage nach Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen in den letzten 5 Jahren. Tatsächlich hatte sich die Versicherungsnehmerin im abgefragten Zeitraum mehrmals in ärztliche Behandlung begeben. Im September 2009 stellte sie einen Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung aufgrund Multipler Sklerose. Die Versicherungsgesellschaft trat daraufhin in die Leistungsprüfung ein. Nach Erhalt einer Auskunft des Hausarztes der Versicherungsnehmerin erklärte die Versicherungsgesellschaft die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung durch Verschweigen ärztlicher Behandlungen.

 

Die Versicherungsnehmerin wehrte sich dagegen und erhob gegen die Versicherungsgesellschaft Klage. Sie begehrte die Feststellung, dass die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht infolge Anfechtung unwirksam sei, sondern fortbestehe, sowie Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente. Sie hat ihren Anspruch unter anderem damit begründet, dass der Umstand, dass sie die Frage nach Arztbesuchen innerhalb der letzten fünf Jahre verneint habe, der Versicherungsgesellschaft Anlass zur Nachfrage hätte geben müssen. Die Annahme, dass jemand innerhalb eines solchen Zeitraums keinen Arzt aufgesucht habe, sei lebensfremd.

 

Dieser Argumentation ist das Gericht nicht gefolgt. Nach Auffassung des OLG Köln (Urteil vom 05.06.2012 – 20 U 1/12) könne sich die Versicherungsnehmerin nicht mit Erfolg auf eine Verletzung der Nachfrageobliegenheit seitens der Versicherungsgesellschaft berufen. Eine etwaige Verletzung der Risikoprüfungsobliegenheit lässt das Anfechtungsrecht des Versicherers unberührt, weil der Versicherungsnehmer, der sich den Vertrag arglistig erschlichen hat, nicht schutzbedürftig sei. Im Übrigen gilt die Nachfragepflicht nur bei widersprüchlichen oder lückenhaften Angaben des Versicherungsnehmers; eine generelle Pflicht zur Überprüfung dessen Angaben bestehe nicht.

 

Stuttgart, den 07.02.2013

 

Oliver Renner

 

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

 

-       Lehrbeauftragter der Fachhochschule Schmalkalden

für das weiterbildende Studium zum/r „Finanzfachwirt/in (FH)“

-       Lehrbeauftragter der Hochschule Pforzheim

-       Stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses

"Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht" der Rechtsanwaltskammer Stuttgart

-       Geldwäschebeauftragter der Rechtsanwaltskammer Stuttgart

 

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