Wer schützt die Anleger vor den selbsternannten Anlegerschützern?

eingestellt am 18.06.2017

Nach einem Bericht des Handelsblatts vom 16.06.2017 wurden Büros einer Anlegerschutzkanzlei durchsucht. „Im Fokus dabei: Eine Rechtsanwaltskanzlei in Jena, gegen deren Angehörige die Staatsanwaltschaft Gera schon länger ermittelt. Es bestehe der Verdacht des gewerbsmäßigen Betrugs in Tateinheit mit strafbarer Werbung, teilten die Behörden nach dem Zugriff mit. Mehrere Rechtsanwälte befänden sich unter den Beschuldigten“, so das Handelsblatt in seinem Bericht vom 16.06.2017 (http://www.manager-magazin.de/finanzen/artikel/anlegeranwaelte-im-visier-razzia-in-fuenf-bundeslaendern-a-1152264.html).

Die Methoden, mit denen sogenannte Anlegerschutzanwälte um Mandate werben, sind schon seit langem Gegenstand der Diskussion.

Rechtlich war zu Beginn fraglich, ob Rundschreiben zur Werbung von Mandanten und Gegnerlisten auf Homepages von Anwälten zulässig sind. Durch die Liberalisierung des anwaltlichen Werberechts wurde hier Freiraum für aggressivere Werbung und Methoden geschaffen. Hierbei ist jedoch nicht alles erlaubt. So mussten bspw. Anlegerschutzanwälte unter anderem strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgeben, da sie mit schlicht falschen Tatsachen Anleger geworben haben. Auch datenschutzrechtlich ergaben sich Probleme. Das Landgericht Bremen hat mit Urteil vom 12.09.2013 – Aktenzeichen: 9 O 868/13 – es bspw. als wettbewerbswidrig angesehen, wenn ein Anwalt im Mandat erlangte personenbezogene Daten zu eigenen Werbezwecken nutzt. Ohne Einwilligung des Betroffenen verstößt der Anwalt hiernach gegen §§ 4 Abs. 1, 28 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz (UWG) und handelt wettbewerbswidrig nach § 4 Nr. 11 UWG.

Haftungsrechtlich haben sich für manche Anlegerschutzanwälte zudem Probleme ergeben. Wohl auf Grund der Vielzahl von vertretenen Anlegern und der Notwendigkeit, verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen, wurde oftmals hierzu ein Mahnbescheid beantragt oder ein Güteantrag gestellt. Hierbei hat der Bundesgerichtshof in mehreren Fällen entschieden, dass ein Mahnbescheidsantrag rechtsmissbräuchlich sein konnte resp. die Güteanträge nicht ausreichend individualisiert waren. Verjährungshemmung trat daher nicht ein, so dass sich hieraus Haftungsgrundlagen gegen Anlegerschutzanwälte begründen können.

Oftmals wurden die Güteverfahren nicht mit der gebotenen Pflicht betrieben, was ein Urteil des OLG Celle verdeutlicht: „Unstreitig reichten allein die Prozessbevollmächtigten des Klägers bei der hier tätig gewordenen Gütestelle des Rechtsanwalts Christian D. zum Jahresende 2011 und Jahresanfang 2012 rund 12.000 Güteanträge ein, davon rund 4.500 gleichzeitig „im Paket“. Trotz dieses ungewöhnlich hohen Aufkommens „in letzter Sekunde“ verfasster Güteanträge - und in Kenntnis des Umstands, dass wegen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes die zehnjährigen Verjährungsfristen auch in zahlreichen anderen Verfahren abliefen und daher ohnehin mit einer erhöhten Belastung der Gütestellen zu rechnen war - haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers nichts unternommen, die zu erwartende Überlastung der Gütestelle und die daraus folgenden Bearbeitungsverzögerungen dadurch zu verhindern, dass sie die Güteanträge auf viele, möglichst zudem mit mehreren zur Schlichtung befugten Personen besetzte Gütestellen verteilten. Im Gegenteil fügten sie den Güteantrag des Klägers der übergroßen Masse der anderen Güteanträge in den Parallelverfahren bei und wählten auch für dessen Einreichung eine einzige „Ein-Mann-Gütestelle“ aus, obwohl von vornherein klar war, dass diese den immensen Arbeitsanfall nicht in angemessener Zeit („demnächst“) würde bewältigen können. Die Auswahl der Gütestelle D. - welchen Grund auch immer sie gehabt haben mag - stellt sich vor diesem Hintergrund zumindest als bewusste Inkaufnahme der monatelangen Bekanntgabeverzögerung dar. Da sie für den Kläger, der sich das Vorgehen seiner Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, vermeidbar war, geht dies zu seinen Lasten (OLG Celle, Urteil vom 24. September 2015 – 11 U 89/14 –, Rn. 58, juris).

Teilweise kamen Gerichte zum Ergebnis, dass die Mandatserteilung sittenwidrig wäre. Hierzu nachfolgend wörtlich aus den Entscheidungsgründen des Urteils des Landgerichts Lüneburg: „Die Nichtigkeit der Bevollmächtigung der Anwälte durch den Kläger kann sich allerdings aus dem Vorgehen der Prozessbevollmächtigten ergeben, eine Massenklage zu erheben, deren Sinn vornehmlich darin besteht, zu ihren Gunsten einen Millionenumsatz zu generieren, ohne dabei die Interessen der Mandanten hinreichend zu wahren. Es bestehen erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass beim Vorgehen der Prozessbevollmächtigten der klagenden Parteien nicht die Durchsetzung des Rechts, sondern lediglich Umsatzgenerierung zu Lasten der Rechtsschutzversicherungen der klagenden Parteien im Vordergrund steht, was zur Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 BGB und damit zur Nichtigkeit der Mandatierung und der darauf beruhenden Bevollmächtigung führen kann (zu den Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts zu Lasten Dritter allgemein Staudinger/Sack/Fischinger, § 138 BGB Rn 444 ff). Diese Anhaltspunkte ergeben sich aus folgenden Umständen:

Sämtliche Klagen sowie sämtliche weiteren Schriftsätze bestehen jeweils nur aus einem identischen Text, in dem lediglich die Namen der Anleger, die Nummer des jeweiligen Dreiländerfonds (DLF) sowie der Streitwert individuell ausgestaltet sind. Im Übrigen werden für jeden Dreiländerfonds identische Schriftsätze verwendet. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben noch nicht einmal dargelegt, wann die jeweilige Beratung erfolgte. Der Inhalt des Beratungsgesprächs wurde mit keinem Wort erwähnt. Sie haben in keiner Klage dargelegt, wer die Beratung durchführte. Erstmals in Replikschriftsätzen vom 20. beziehungsweise 24.2.2014 wurde der Name des Beraters genannt, wobei sich in zwei Fällen herausstellte, dass noch nicht einmal eine Beratung stattfand, sondern der Erwerb durch die Berater selbst erfolgte. Sie haben in keinem Rechtsstreit dargelegt, wie hoch der Schaden ist. Die Angabe des Streitwerts beruht jeweils ausschließlich auf der Höhe des investierten Betrages abzüglich 20%, weil lediglich Feststellung begehrt wird. Eine individualisierte Darstellung der Umstände erfolgte in keinem Fall. Wie noch auszuführen sein wird genügt daher die Darstellung der jeweils klagenden Partei nicht den Mindestanforderungen eines schlüssigen Vortrags.

Ein weiteres Indiz für die Annahme, die Klagen würden nur im Gebühreninteresse der Prozessbevollmächtigten der Kläger erhoben, besteht in dem Vorgehen, die Klagen nicht vor demselben Gericht anhängig zu machen, sondern sämtliche Ansprüche noch einmal gegen den Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaften … vor dem Landgericht Stuttgart zu erheben, obwohl die kostengünstigere Möglichkeit bestand, die gerichtliche Bestimmung des für sämtliche Parteien zuständigen Gerichts zu beantragen. Für die Bestimmung des Gerichtsstandes nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO reicht es aus, wenn die in Anspruch genommenen Personen einem gemeinschaftlichen Gegner gegenüberstehen (Bendtsen a.a.O. § 36 Rn 14 m.w.N.). Zudem spricht einiges dafür, dass die Beklagte ohne Gerichtsstandsbestimmung zusammen mit dem Gründungsgesellschafter vor dem Landgericht Stuttgart hätte verklagt werden können (zur Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 ZPO Zöller/Vollkommer, § 32b ZPO Rn 6). Dass die Prozessbevollmächtigten zweimal 1750 Klagen erheben kann nur in dem Bestreben liegen, möglichst viele Gebühren zu generieren. Auffällig ist zudem, dass sämtlichen Klagen ein Vorblatt beigefügt war, wonach Zahlung durch eine Rechtsschutzversicherung angekündigt wird. Die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten durch die jeweiligen Kläger stellt sich damit als Vertrag dar, mit dem überhöhte Kosten einem Dritten, nämlich der jeweiligen Rechtsschutzversicherung in Rechnung gestellt werden soll. Darüber hinaus ist die entsprechende Behauptung der Beklagten, die Prozessbevollmächtigten versuchten nur krampfhaft, die Deckungszusage der Versicherten der Geschädigten zu erlangen, um hierauf aufbauend ein Millionengeschäft zu machen, unstreitig geblieben (LG Lüneburg, Urteil vom 25. März 2014 – 5 O 58/14 –, Rn. 28, juris).

Nunmehr ist dieses Vorgehen auch in das Visier der Staatsanwaltschaft geraten, wie das Handelsblatt berichtet.

Mit einem solchen Vorgehen wird Anlegerschutz pervertiert. Nicht nur der Status des Rechtsanwalts mit hierdurch „befleckt“. Es stellt sich vielmehr die Frage: „Wer schützt die Anleger vor den selbsternannten Anlegerschützern“. Dies kann nur dadurch erfolgen, in dem sich zum einen der in Anspruch genommene Emittent oder der Vertrieb hiergegen schon im Rahmen der Werbung um die Anleger zur Wehr setzt.

Letztlich entscheidet aber der Anleger, wen er für seine Interessensvertretung beauftragt. Hier gilt:

Nicht wer am lautesten schreit, hat die besten Äpfel.



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