Leistungssport der Amateure – Wettkämpfe und das „Bundesnotbremse-Gesetz“

Veröffentlicht am 28.04.2021

Leistungssport der Amateure – Wettkämpfe und das „Bundesnotbremse-Gesetz“

Leistungssport der Amateure – Corona-Verordnungen und das „Bundesnotbremse-Gesetz“

Die 1. Herren des HTC Stuttgarter Kickers spielen derzeit die neu geschaffene Aufstiegsrunde in die 1. Bundesliga. Diese Mannschaft steht für eine Vielzahl anderer Mannschaften im Hockey, die sich in ähnlichen Situationen zum gemeinsamen Hockeyspielen zusammengefunden haben. Sie wollen wieder um Punkte spielen.

Die Mannschaft besteht zum größten Teil aus Studenten, die ihrem Hobby auf einem hohen Niveau und mit großem persönlichen Engagement (zeit-)intensiv nachgehen. Keiner der Spieler würde sich als Profi- oder Berufssportler bezeichnen; was daran liegen dürfte, dass keiner der Spieler von dem Verein ein Gehalt bezieht. Die Spieler (bzw. oftmals noch deren Eltern) tragen die Kosten des Spielbetriebs und kommen für ihre Ausrüstung im Regelfall selbst auf.

Der Spielbetrieb der 2. Hockey-Bundesliga wurde am 17.04.2021 wieder aufgenommen.

Die Sieben-Tage-Inzidenz in Stuttgart liegt seit Ende März 2021 bei über 100. Am 26.04.2021 liegt sie bei 215,4.

„Bundesnotbremse-Gesetz“

Das „Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ ist am 23.04.2021 in Kraft getreten. Der Wortlaut wirft Fragen auf, die sich Verantwortliche in Verbänden und Vereinen in der Republik – nicht nur im Hockey – stellen dürften:

Nach dem neuen § 28b des Infektionsschutzgesetzes ist bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 für den Zeitraum von drei Tagen die Ausübung von Sport nur noch zulässig,

„in Form von kontaktloser Ausübung von Individualsportarten, die allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Hausstands ausgeübt werden sowie bei Ausübung von Individual- und Mannschaftssportarten im Rahmen des Wettkampf- und Trainingsbetriebs der Berufssportler und der Leistungssportler der Bundes- und Landeskader, wenn

a.      die Anwesenheit von Zuschauern ausgeschlossen ist,

b.      nur Personen Zutritt zur Sportstätte erhalten, die für den Wettkampf- oder Trainingsbetrieb oder die mediale Berichterstattung erforderlich sind, und angemessene Schutz- und Hygienekonzepte eingehalten werden.“

„Wir sind doch keine Berufssportler!“

Berufssportler sind die Spieler des HTC Stuttgarter Kickers ohne Zweifel nicht.

Leistungssportler sind sie: Sie trainieren zumindest drei Mal pro Woche gemeinsam. Für zwei weitere – individuell durchzuführende und zu dokumentierende – Einheiten haben sich die Spieler gemeinsam zur Erreichung ihrer Ziele selbst verpflichtet. Am Wochenende finden die Punktspiele statt.

Die Norm sieht ihrem Wortlaut nach vor, dass die Ausnahme ausschließlich für Kaderathleten gilt. Keiner der Spieler gehört einem aktuellen Bundes- oder Landeskader der Erwachsenen an. Wenn nur vereinzelt Spieler der Mannschaft in Bundes- oder Landeskadern vertreten wären, würde dies nicht helfen. In bundesweit keiner Mannschaft spielen ausschließlich Kaderathleten. Ein Wettkampfbetrieb wäre nach dem Wortlaut der Norm zudem nur mit Mannschaften zulässig, die ausschließlich aus Auswahlathleten bestehen.

Die Spieler der 1. Herren des HTC Stuttgarter Kickers sind vom Verbot des § 28b IfSG nicht ausgenommen.

Vor Inkrafttreten des „Bundesnotbremse-Gesetzes“ – CoronaVO BW

Vor Inkrafttreten des „Bundesnotbremse-Gesetzes“ sollte der Spielbetrieb in den überregionalen Ligen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und Einhaltung des Hygiene- und Testkonzepts fortgesetzt werden können. So fanden in den vergangenen beiden Wochen Punktspiele der Bundesligen statt.

Es galt die Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung – CoronaVO), § 10 CoronaVO – Sonstige Veranstaltungen:

(3) Ohne Begrenzung der Teilnehmerzahl sind zulässig:

[…]

3. Spitzen- oder Profisportveranstaltungen, soweit diese ohne Zuschauer stattfinden.

[…]

Spitzensportler?

Ob die Spieler des HTC Stuttgarter Kickers Spitzensportler sind, mag man unterschiedlich beurteilen können. Die tabellarische Situation der deutschen Ligen lässt jedenfalls den (vielleicht etwas formalistischen) Rückschluss zu, dass die 1. Herren des HTC Stuttgarter Kickers bundesweit zu den besten 20 Mannschaften gehören. Mit guten Gründen konnte vertreten werden, sie als „Spitzensportler“ im Sinne der CoronaVO anzusehen.

Auf seiner Homepage verweist der Landesgesetzgeber zwar nunmehr in einer Übersicht auf die bundesrechtliche Regelung. Die Regelung zum Sport (§ 10 Abs. 3) wurde aber im Gegensatz zu einer Vielzahl anderer Anpassungen in Reaktion auf das „Bundesnotbremse-Gesetz“ im Rahmen der „Dritten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung“ vom 23. April 2021 nicht geändert.

Damit müsste man davon ausgehen können, dass der Landesgesetzgeber die Corona-VO für konform mit den Regelungen des „Bundesnotbremse-Gesetzes“ hält. Andernfalls ließe sich nicht erklären, weshalb Änderungen als Reaktion auf das „Bundesnotbremse-Gesetz“ bereits in die Corona-VO aufgenommen wurden.

Die Landesverordnung bleibt in ihrer derzeitigen Form hinter der bundesgesetzlichen Regelung zurück.

Unveränderte Corona-VO in Rheinland-Pfalz nach Inkrafttreten der „Bundesnotbremse“

Für das Spiel des HTC Stuttgarter Kickers im rheinland-pfälzischen Frankenthal am 24. April 2021 galt die 19. Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz (19. CoBeLVO) vom 23. April 2021, mit der die Änderung des Infektionsschutzgesetztes umgesetzt wurde, dort § 10 (insoweit gleichlautend mit der 18. CoBeLVO vom 20.03.2021):

§ 10 Sport

(1) Training und Wettkampf im Amateur- und Freizeitsport sind untersagt, soweit in dieser Verordnung nichts Abweichendes bestimmt ist. Abweichend von Satz 1 ist zulässig

[…]

(5) Der Trainings- und Wettkampfbetrieb des Profi- und Spitzensports ist auf und in öffentlichen und privaten Sportanlagen zulässig, sofern ein von den Sportfachverbänden oder Ligaverantwortlichen erstelltes Hygienekonzept vorliegt und beachtet wird. Zuschauerinnen und Zuschauer sind nicht gestattet. Es erhalten nur Personen Zutritt, die für den Wettkampf- oder Trainingsbetrieb oder die mediale Berichterstattung erforderlich sind. Spitzen- und Profisport im Sinne des Satzes 1 betreiben:

1. Bundes- und Landeskaderathletinnen und -athleten […]

2. Mannschaften aller olympischen und paralympischen Sportarten der 1. bis 3. Ligen sowie der Regionalliga im Männerfußball; darüber hinaus Profimannschaften in nicht olympischen und nicht paralympischen Sportarten; unter Profisport ist die bezahlte Vollzeittätigkeit von Berufssportlern in Kapitalgesellschaften oder in den Wirtschaftsbetrieben von Vereinen zu verstehen;

[…]

In Rheinland-Pfalz scheint man auch nicht der Meinung zu sein, die Verordnung sei anzupassen. Eine Änderung der Corona-VO hat es als Reaktion auf das „Bundesnotbremse-Gesetz“ nicht gegeben.

Das Bundesgesetz und die 19. CoBeLVO RP stehen diesbezüglich in noch klarerem Widerspruch als die baden-württembergische CoronaVO und das „Bundesnotbremse-Gesetz“.

Unveränderte Corona-VO in Nordrhein-Westfalen nach Inkrafttreten des „Bundesnotbremse-Gesetz“

Der Blick nach Nordrhein-Westfalen zeigt eine weitere Lesart des neuen § 28b IfSG.

Die Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 23. April 2021 setzt ebenfalls die „Bundesnotbremse“ um. In Nordrhein-Westfalen blieb § 9 Sport unverändert.

Wettbewerbe in Profiligen, […] sowie andere berufsmäßige Sportausübung sind zulässig, soweit die Vereine beziehungsweise die Lizenzspielerabteilungen der Vereine sich neben der Erfüllung ihrer arbeitsschutzrechtlichen Hygiene- und Schutzpflichten auch verantwortlich für die Reduzierung von Infektionsrisiken im Sinne des Infektionsschutzgesetzes zeigen und die für die Ausrichtung der Wettbewerbe

verantwortlichen Stellen den nach § 17 Absatz 1 zuständigen Behörden vor Durchführung der Wettbewerbe geeignete Infektionsschutzkonzepte vorlegen. Zuschauer dürfen bei den Wettbewerben nicht zugelassen werden.

Die nordrhein-westfälische Verordnung setzt Profitum und Berufssport gleich.

Auslegungshinweise „Profisport“ der Stadt Köln

Die Stadt Köln hat Auslegungshinweise herausgegeben.

Danach sei es im Mannschaftssport maßgeblich, ob (1.) die Sportler*innen ihren Lebensunterhalt aus der Tätigkeit bei dem Verein bestreiten, ob dies weiter (2.) für den überwiegenden Teil der Spieler*innen in der Mannschaft ebenfalls der Fall ist und (3.) dies auch für die überwiegende Mehrheit der Teams gelte.

Die Voraussetzungen zur Durchführung von Wettbewerben im hochklassigen (weitestgehend) unbezahlten Mannschaftssport liegen eigentlich nicht vor. Der Spielbetrieb im hochklassigen Amateursport müsste danach untersagt sein.

Berlin: Zweite SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung

In Berlin will man sich dem Vorwurf, das „Bundesnotbremse-Gesetz“ nicht umgesetzt zu haben, nicht aussetzen. Die Senatskanzlei teilt mit,

dass ab dem 24. April 2021 im Land Berlin die Maßnahmen nach § 28b Absatz 1 und 3 des Infektionsschutzgesetzes gelten.

Die bisherige Praxis in Bezug auf Trainings- und Wettkampfbetrieb im hochklassigen Amateursport in Berlin war vergleichsweise streng, obwohl der Wortlaut der Norm den Regelungen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen ähnlich war und die Mannschaften dort seit Wochen trainierten können. In Berlin war bis zuletzt nicht an Trainings- oder Wettkampfbetrieb zu denken:

§ 19 Sportausübung

(1) Sport darf vorbehaltlich des Satzes 2 nur alleine oder mit insgesamt höchstens fünf Personen aus insgesamt höchstens zwei Haushalten kontaktfrei und unter Einhaltung der Abstandsregelungen nach § 3 Absatz 1 Satz 1 erfolgen. Für folgende Personengruppen gilt die Beschränkung des Satzes 1 nicht:

[…]

2.      für Bundes- und Landeskaderathletinnen und -athleten, Profiligen und Berufssportlerinnen und Berufssportler,

[…]

(3) Der professionelle sportliche Wettkampfbetrieb in der Bundesliga und den internationalen Ligen sowie vergleichbaren professionellen Wettkampfsystemen ist zulässig, soweit er im Rahmen eines Nutzungs- und Hygienekonzeptes des jeweiligen Sportfachverbandes stattfindet. Zuschauende sind untersagt. Satz 2 gilt nicht für die für den Spielbetrieb erforderlichen Personen.

Eine Diskussion darüber, ob ambitionierte Amateure Profis oder Berufssportler sein könnten, wurde – soweit ersichtlich – gar nicht erst geführt.

Profitum außerhalb des Berufssports?

Interessant ist der Vergleich zwischen der nordrhein-westfälischen Regelung und derjenigen in Berlin. In Berlin findet sich eine Differenzierung zwischen Profiligen und Berufssportler*innen.

Diese Differenzierung ist nur sinnvoll, wenn es Profitum abseits des Berufssports gibt. Die Berliner sehen also offenbar keine direkte Verknüpfung zwischen der für die Ausübung des Sports gezahlten Vergütung und dem Profitum vor.

Reicht es also aus, täglich zu trainieren, um während der Pandemie einen Wettkampf bestreiten zu können?

Annähernd professionelle Bedingungen finden die Mannschaften in den Vereinen der 2. Bundesliga Süd wohl (überwiegend) vor. Viele Mannschaften verfügen über hauptamtliche Hockeytrainer, Athletiktrainer und Physiotherapeuten. Die Vereine sind bemüht – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – alles für ein hohes Leistungsniveau ihrer „Vorzeigemannschaften“ in der Bundesliga zu tun.

Gespielt werden durfte nicht; ob sich durch das Bundesgesetz hieran etwas ändert, steht noch nicht fest.

Mehr Fragen als Antworten

Der Wortlaut des „Bundesnotbremse-Gesetzes“ legt nahe, dass der Gesetzgeber mit dem Passus „Bundes- und Landeskader“ nur eine Regelung für Auswahl- und Nationalmannschaften und die Kaderathleten der Individualsportarten und für die Berufssportler getroffen hat.

Nach dem Wortlaut der Verordnungen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wären Wettkämpfe im Spitzensport der Amateure – nach wie vor – gestattet, wenn sie nicht im Widerspruch zu einem formellen Bundesgesetz stünden.

Die Wettkämpfe sollen – Stand heute – auch weiterhin stattfinden.

In NRW gibt der Wortlaut der CoronaVO die Zulässigkeit der Wettkämpfe eigentlich nicht her; sie sollen aber stattfinden.

In Berlin könnte mit dem Wortlaut für ambitionierte Amateure möglicherweise eine Lösung zugunsten der Durchführung der Wettkämpfe (Profitum außerhalb des Berufssports) gefunden werden, gestattet war der Trainings- und Wettkampfbetrieb bislang nicht.

In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben die CoronaVO teilweise Änderungen erfahren; nicht aber in Bezug auf den Sport. Gehen die Verordnungsgeber davon aus, das Bundesgesetz sei in der Verordnung umgesetzt oder das Bundesgesetz habe denselben Regelungsgehalt?

Warum greifen die Landesverordnungen die Gesetzesänderung im Hinblick auf den Sport nicht auf, obwohl der Bund eine über die Länderverordnungen hinausgehende – also schärfere – Regelung getroffen hat?

Ist der Spielbetrieb für die 2. Hockey-Bundesliga untersagt?

Die Kapitäne der 2. Bundesliga Nord haben Stellung bezogen. Sie wollen nicht spielen. Die Verbände halten bisher an den Spielansetzungen fest. Sie sehen keinen Handlungsbedarf. Die Vereine wissen nicht, was sie tun sollen.

Die Stadt Stuttgart hat am 28.04.2021 auf ausdrückliche Nachfrage hin den Trainings- und Wettkampfbetrieb der 1. Herren der HTC Stuttgarter Kickers weiterhin gestattet.

Fest steht: Den Ehrenamtlichen in den Vereinen ist – egal was sie tun – wohl kaum ein Vorwurf zu machen.