Vereinbarkeit von Ämtern in Verein und Aktiengesellschaft

eingestellt am 12.01.2021

Eingetragene Vereine gründen vielfach für ihre wirtschaftliche Tätigkeit eine eigene Gesellschaft, um auf diese Weise einerseits professionelle Strukturen für unternehmerische Aktivitäten zu schaffen und andererseits die damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken vom Verein fernzuhalten. Namentlich im professionellen Sport gliedern Vereine die Profiabteilungen, die am Spielbetrieb der ersten oder zweiten Bundesligen teilnehmen, häufig in Spielbetriebsgesellschaften aus. Der Verein ist dann regelmäßig alleiniger oder mehrheitlicher Gesellschafter oder Aktionär der gegründeten GmbH oder AG. In manchen Fällen ist die Eigenschaft als Mehrheitseigner vorgeschrieben, etwa nach der bekannten „50 + 1-Regelung“ im deutschen Profifußball.

So regelt § 16c Nr. 2 der DFB-Satzung in Sätzen 1 und 2:

 „Eine Kapitalgesellschaft kann nur eine Lizenz für die Lizenzligen und damit die Mitgliedschaft im Ligaverband erwerben, wenn ein Verein mehrheitlich an ihr beteiligt ist, der über eine eigene Fußballabteilung verfügt und der im Zeitpunkt, in dem sie sich erstmals für eine Lizenz bewirbt, sportlich für die Teilnahme an einer Lizenzliga qualifiziert ist. Der Verein ("Mutterverein") ist an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt ("Tochtergesellschaft"), wenn er über 50 % der Stimmenanteile zuzüglich mindestens eines weiteren Stimmenanteils in der Versammlung der Anteilseigner verfügt.“


Unternehemen-Vorstand-Sitzung-Meeting


Bei der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) muss der Mutterverein oder eine von ihm zu 100 % beherrschte Tochter die Stellung des Komplementärs innehaben. (Nur) in diesem Fall genügt ein Stimmenanteil des Muttervereins von weniger als 50 %; es muss dann aber auf andere Weise sichergestellt sein, dass der (Mutter-) Verein eine vergleichbare Stellung hat, wie ein an einer Tochtergesellschaft mehrheitlich beteiligter Gesellschafter, § 16c Nr. 2 S. 3 und 4 DFB-Satzung.

Als alleiniger oder mehrheitlicher Gesellschafter in einer GmbH bestellt der Verein zugleich den Geschäftsführer und damit die operative Leitung der Spielbetriebsgesellschaft. Im Falle einer Aktiengesellschaft sieht die AG-Satzung häufig vor, dass der Verein berechtigt ist, einen oder mehrere Vertreter in den Aufsichtsrat der AG zu entsenden. Auf diese Weise behält sich der Verein das Recht vor, bei der Bestellung und Abberufung des Vorstandes der Aktiengesellschaft mitzuentscheiden und dessen Tätigkeit zu kontrollieren.

Dagegen regeln die Satzungen der Spielbetriebsgesellschaften regelmäßig nicht, wer zum Geschäftsführer in einer GmbH oder zum Vorstand in einer Aktiengesellschaft berufen werden darf. Dies können also auch externe Dritte sein, die nicht dem Verein angehören. Umgekehrt schließen die Satzungen in aller Regel aber auch nicht aus, dass ein Mitglied oder ein Angehöriger eines Organs des Vereins – etwa des Vorstandes – zugleich als Geschäftsführer der GmbH oder Vorstand der Aktiengesellschaft tätig wird. Nicht zulässig ist aufgrund der Vorgaben des Aktienrechts lediglich, dass der Vorstand der Aktiengesellschaft zugleich im Aufsichtsrat der AG vertreten ist, § 105 Abs. 1 AktG.

Umstritten ist, ob es – unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit – unter Gesichtspunkten des „Good Governance“ sinnvoll ist, wenn ein Mitglied des Vereinsvorstands zugleich in der Geschäftsführung der GmbH oder im Vorstand der AG tätig wird. Geht man von der Prämisse aus, dass der Verein einen maßgeblichen Einfluss auf die Spielbetriebsgesellschaft haben soll, kann es strukturell den Einfluss des Vereins stärken, wenn ein Organmitglied des Vereins, zugleich die operativen Geschicke der Spielbetriebsgesellschaft leitet. Auf einem anderen Blatt steht, ob dies in der Praxis tatsächlich zu einer Stärkung der Vereinsinteressen führt. Das hängt zunächst davon ab, ob die Interessen des Vereins als Mehrheitsaktionär mit den unternehmerischen Zielen und Maßnahmen der Gesellschaft übereinstimmen oder aber in einzelnen Punkten oder gar der in der strategischen Ausrichtung divergieren. Letzterenfalls kommt es maßgeblich darauf an, ob es dem Betroffenen gelingt, die Interessen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Er muss sich jedenfalls stets fragen, ob er beiden Funktionen vollauf gerecht werden kann, denn er ist sowohl den Vereinsmitgliedern als deren Präsident als auch den Aktionären als deren Vorstand rechenschaftspflichtig. Die Aufsichtsräte, namentlich die vom Verein entsandten, müssen in dieser Konstellation ein besonderes Augenmerk auf potentielle Interessenkonflikte des in doppelter Funktion handelnden Vorstands legen.


Linie-Grenze-Fussballrasen-Aussenlinie


Zur Frage einer möglichen Doppelfunktion als Präsident des Vereins einerseits und Vorstand einer dem professionellen Spielbetrieb dienenden Aktiengesellschaft andererseits äußerte sich Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker von der Stuttgarter Kanzlei Wüterich Breucker in einem Bericht der Stuttgarter Nachrichten vom Dienstag 12. Januar 2021 unter der Überschrift „Rechtlich zulässig, moralisch zweifelhaft“ (https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.hitzlspergers-moegliche-doppelrolle-beim-vfb-stuttgart-rechtlich-zulaessig-moralisch-zweifelhaft.193fdc1c-a8e0-4404-8461-3cf642658ec7.html?reduced=true) und der Stuttgarter Zeitung (https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.hitzlspergers-moegliche-doppelrolle-beim-vfb-stuttgart-rechtlich-zulaessig-moralisch-zweifelhaft.c7f5526a-75bf-4a2f-bb66-9e243065cea5.html?reduced=true). Darin geht Rechtsanwalt Breucker zum Einen darauf ein, dass die konkrete Vereinssatzung eine solche Doppelfunktion nicht ausschließe, und die Interessen des Vereins tendenziell gestärkt werden können, wenn der Präsident des Vereins zugleich operativ im Vorstand der Aktiengesellschaft tätig ist; zugleich weist Breucker darauf hin, dass Letzteres (nur) dann der Fall ist, wenn und soweit die Interessen des Vereins als Mehrheitsaktionär mit denen der Aktiengesellschaft tatsächlich übereinstimmen.

Im gleichen thematischen Zusammenhang äußerte sich Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker am 10. Januar 2021 in der Sendung „Sport in Baden-Württemberg“ im Südwestrundfunk (SWR) zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Kandidat für das Präsidentenamt in einem Verein kandidieren kann, wenn die Satzung hierfür unter anderem verlangt, dass „der vorgeschlagene Kandidat über eine mindestens zehnjährige Erfahrung in wirtschaftlichen Angelegenheiten in einer hohen Managementposition oder in einer vergleichbaren Führungsposition und/oder im aktiven Leistungssport verfügt“ (https://www.swr.de/sport/sendungen/swr-sport-in-baden-wuerttemberg/swr-sport-bw-sendungsmitschnitt-100.html). Hierbei war durch Auslegung die Frage zu entscheiden, ob die geforderte „zehnjährige Erfahrung“ alternativ entweder in „wirtschaftlichen Angelegenheiten“ oder im „aktiven Leistungssport“ bestehen müsse, oder ob der Kandidat in jedem Falle über eine zehnjährige Erfahrung in wirtschaftlichen Angelegenheiten verfügen muss, und er diese entweder in einer hohen Managementposition oder einer vergleichbaren Führungsposition oder im aktiven Leistungssport erworben haben müsse.

Aufgrund in der Praxis bisweilen auftauchender Zweifelsfragen empfiehlt es sich, in den Satzungen der Spielbetriebsgesellschaften und gegebenenfalls zusätzlich der Vereine eindeutige Regelungen darüber zu treffen, ob und inwieweit Organe oder Mitglieder des Vereins zugleich Funktionen in den Organen der Spielbetriebsgesellschaft wahrnehmen dürfen oder müssen.



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