
BGH: Anforderungen an schlüssigen Parteivortrag zum Umfang der erbrachten Leistungen
Die Anforderungen an den schlüssigen Parteivortrag zum Umfang der erbrachten Leistungen des Werkunternehmers werden von den Gerichten häufig überzogen.
Der BGH hatte sich zuletzt im September 2024 mit der Frage zu beschäftigen, in welchem Ausmaß dem klagenden Bauunternehmer die Darlegungslast auferlegt werden kann.
Im Einzelnen:
Die Klägerin, ein Transportunternehmen, erhob vor dem Landgericht Fulda eine Stufenklage und beantragte zunächst, die Beklagte zu verurteilen, eine prüffähige Massenermittlung zu erstellen und an die Klägerin herauszugeben. Das Landgericht wies die Klage mit Teilurteil ab. Das OLG wies die Berufung zurück. Das LG nahm an, die Ansprüche auf Auskunft seien – soweit sie bestünden – erfüllt. Das OLG stellte heraus, dass die Klägerin könne eine konkrete Berechnung der von ihr abtransportierten Massen selbst vornehmen, weil ihr eine hinreichende Datengrundlage zur Verfügung stehe.
Die Klägerin erstellte daraufhin die Schlussrechnung, auf die die Beklagte Teilzahlungen leistete. Wegen der Differenz zwischen der Schlussrechnung und dem Ergebnis der Rechnungsprüfung der Beklagten und den auf dieser Grundlage geleisteten Teilzahlungen beantragte die Klägerin, die Beklagte zur Zahlung zu verurteilen.
Das Landgericht erließ ein Grundurteil und stellte fest, dass der Zahlungsantrag dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Die Beklagte legte gegen das Grundurteil Berufung ein.
OLG: Keine schlüssige Darlegung von Mehrmengen – abweichender Abrechnungsmodus
Das OLG wies mit seinem zweiten Berufungsurteil die Klage insgesamt ab und ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.
Zur Begründung führt es aus, die Klägerin habe nicht hinreichend schlüssig dargelegt, dass über die seitens der Beklagten bereits abgerechneten Volumina hinaus tatsächlich Mehrleistungen erbracht worden seien, aufgrund derer weitergehende Zahlungsansprüche jedenfalls hinreichend wahrscheinlich seien. Der Abrechnungsmodus widerspreche der Vereinbarung der Parteien im Leistungsverzeichnis.
Hiergegen richtete sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die mit der Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Grundurteils erreichen wollte.
BGH: Mitteilung aller zur Verfügung stehenden Umstände
Der BGH gab der Nichtzulassungsbeschwerde statt und hob das angefochtene Urteil unter Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht auf.
Das Berufungsgericht habe den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt:
Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt daher vor, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (BGH, Beschluss vom 10. August 2022 – VII ZR 243/19, BauR 2022, 1812 [Rn. 18]; Beschluss vom 1. März 2023 – VII ZR 882/21, BauR 2023, 1154 [juris Rn. 17]).
Der Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. […]
(BGH Beschl. v. 26.9.2024 – I ZR 161/23, BeckRS 2024, 28580 Rn. 23, 24, beck-online)
Dabei führte der BGH aus, dass die Parteien zwar einen anderen als den von der Klägerin (notgedrungen) verwendeten Abrechnungsmodus vereinbart hatten, die Klägerin aber keine andere Möglichkeit hatte, als in diesem Modus abzurechnen, da es keine abrechnungsfähigen Unterlagen – auch nicht bei der Beklagten – gebe:
Kann die darlegungs- und beweisbelastete Partei den Umfang ihrer Leistungen nicht entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen präzise ermitteln, genügt sie ihrer Darlegungs- und Beweislast, wenn sie alle ihr zur Verfügung stehenden Umstände mitteilt, die Rückschlüsse hierauf ermöglichen […].
(BGH Beschl. v. 26.9.2024 – I ZR 161/23, BeckRS 2024, 28580 Rn. 32, beck-online)
Auch könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Unmöglichkeit einer vertragsgemäßen Abrechnung in den Verantwortungsbereich der Beklagten falle. Das Vorbringen der Klägerin könne daher nicht mit der Begründung unberücksichtigt bleiben, es fehle jedwede Darlegung, welche Menge ausgebrochen und abtransportiert worden ist. Das Berufungsgericht verlange von der Klägerin Vortrag, der eine Kenntnis der Unterlagen voraussetzt, die die Beklagte nicht vorgelegt hat.
LG Fulda, Entscheidung vom 05.02.2021 – 7 O 73/12 –
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 14.11.2023 – 14 U 55/21 -
BGH (I. Zivilsenat), Beschluss vom 26.09.2024 – I ZR 161/23