Erneut Krieg der Sterne zwischen II. und XI. Senat des Bundesgerichtshofs
Wie schon mehrfach in der Vergangenheit zu verschiedenen Fragen herrscht erneut zwischen dem II. Zivilsenat und dem XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs Uneinigkeit.
Die konkrete Frage lautet:
Ob und unter welchen Voraussetzungen schließt die spezialgesetzliche Prospekthaftung die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im weiteren Sinne aus.
Der XI. Zivilsenat vertritt folgende Auffassung:
a) Die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftungen gehen zurück auf die §§ 43 bis 46 BörsG in der Fassung vom 22. Juni 1896 (vgl. Assmann/Kumpan in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl., § 5 Rn. 5 ff.; Buck-Heeb/Dieckmann, ZBB 2022, 84, 87).
Wenngleich die spezialgesetzliche Prospekthaftung je nach Anlagetyp gegenwärtig im Wertpapierprospektgesetz, Vermögensanlagengesetz und Kapitalanlagegesetzbuch geregelt ist, so stimmen die Prospekthaftungsansprüche nach §§ 9, 10, 14 WpPG, §§ 20, 21 VermAnlG und § 306 KAGB in Tatbestand und Rechtsfolge weitgehend überein. Von einem auf § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 und 3 BGB gestützten Anspruch unterscheiden sie sich insbesondere in dem auf Vorsatz und grober Fahrlässigkeit reduzierten Verschuldensmaßstab (§ 12 Abs. 1 WpPG, § 20 Abs. 3, § 306 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 KAGB) und in der Ausgestaltung der Rechtsfolge "als eine Art modifiziertes Rücktrittsrecht" (BT-Drucks. 11/6340, S. 14; §§ 9, 10 WpPG, § 20 Abs. 1 und 2 VermAnlG, § 306 Abs. 1 und 2 KAGB) anstelle eines Anspruchs auf Schadensersatz im Sinne von § 249 BGB.
b) Dies zugrunde gelegt, schließt die spezialgesetzliche Prospekthaftung in ihrem Anwendungsbereich die sogenannte Prospekthaftung im weiteren Sinne unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines fehlerhaften Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung aus (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB).
(BGH, Beschluss vom 14. Juni 2022 – XI ZR 395/21 –, Rn. 9 - 11, juris)
Der II. Zivilsenat fügt ein „nicht“ ein und vertritt nachfolgende Auffassung:
Die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß den § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung schließt in ihrem Anwendungsbereich eine gesellschaftsrechtliche Haftung der Gründungs- bzw. Altgesellschafter wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB (sogenannte Prospekthaftung im weiteren Sinn) nicht aus (Festhaltung an BGH, Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 26; Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 193/11, juris Rn. 18; zu § 12 AuslInvestmG: vgl. BGH, Urteil vom 10. April 1978 - II ZR 103/76, WM 1978, 611 f.; Urteil vom 22. März 1982 - II ZR 114/81, BGHZ 83, 222, 227 und Urteil vom 13. September 2004 - II ZR 276/02, ZIP 2004, 2095, 2098).
(BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 – II ZR 22/22 –, juris)
Ist die Entscheidung noch so schlecht, der BGH hat immer recht. Jeder kann sich seine „gute“ Entscheidung heraussuchen. Roma locuta causa finita?
Die Frage ist, wer ist Rom?
Für Rechtssuchende sowie Rechtsanwendende, die sich mit irdischen Sachverhalten und Lösungswegen auseinandersetzen müssen verursacht der Krieg der Sterne kaum lösbare Beratungshürden.
Am Ende bleibt: „RA (anstatt E.T.) nach Hause telefonieren“
Stuttgart, den 16.12.2022
Oliver Renner
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
c/o Wüterich Breucker Rechtsanwälte Partnerschaft mbH
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