Maschinenrichtlinie – Haftung des Herstellers und des Arbeitgebers

Veröffentlicht am 18.11.2020

Maschinenrichtlinie – Haftung des Herstellers und des Arbeitgebers

Die in Deutschland durch das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) umgesetzte Richtlinie 2006/42/EG vom 17. Mai 2006 („Maschinenrichtlinie“) formuliert grundlegende Sicherheitsstandards für in der EU in Verkehr gebrachte Maschinen. Liefert ein Hersteller eine Maschine – oftmals eine industrielle Anlage (Betriebsmittel) - an ein Unternehmen unter Verstoß gegen Sicherheitsanforderungen der Maschinenrichtlinie, so haftet er dem Unternehmen für einen daraus entstehenden Schaden. Regelmäßig sind es jedoch die Arbeitnehmer des Unternehmens, die bei Verstoß gegen Sicherheitsanforderungen der Maschinenrichtlinie eine Verletzung an Leben, Körper oder Gesundheit erleiden. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob für den eingetretenen Schaden (nur) der Hersteller oder (auch) der jeweilige Arbeitgeber haftet.

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Auch wenn der jeweilige Arbeitnehmer mit dem Maschinenhersteller keinen Vertrag geschlossen hat, so hat er gleichwohl einen vertraglichen Schadensersatzanspruch: Er ist grundsätzlich in den Schutzbereich des zwischen dem Unternehmen als seinem Arbeitgeber und dem jeweiligen Hersteller geschlossenen Vertrages einbezogen. Er kann mithin Schadensersatzansprüche nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter geltend machen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer mit der Betriebsanlage bestimmungsgemäß in Berührung kommt, dies für den Hersteller erkennbar ist oder hätte erkennbar sein müssen, und der Arbeitnehmer keine eigenen vertraglichen Ansprüche gegen den Hersteller hat.

 

Fraglich ist in solchen Fällen, ob der Arbeitnehmer auch einen Schadensersatzanspruch gegen seinen eigenen Arbeitgeber hat: Oftmals berufen sich die Arbeitgeber in dieser Konstellation darauf, die Haftung liege beim Hersteller, der pflichtwidrig die Anforderungen der Maschinenrichtlinie missachtet habe. Indes trifft auch den Arbeitgeber aus § 618 Abs. 1 BGB und § 4 Nr. 1 ArbSchG eine Verpflichtung, Anlagen in seinem Betrieb nur dann zu betreiben, wenn sie betriebssicher sind. Der Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leib und Gesundheit soweit schützen wie dies die Natur der Arbeitsleistung gestattet. Wenn der Arbeitgeber also erkannte oder erkennen musste, dass die Anlage nicht den Anforderungen der Maschinenrichtlinie entspricht, oder wenn der Arbeitgeber sonst erforderliche Schutzvorkehrungen unterließ, so haftet er gemeinsam mit dem Hersteller gegenüber einem geschädigten Arbeitnehmer. Dies gilt namentlich dann, wenn der Hersteller den Arbeitgeber bei Lieferung der Betriebsanlage auf entsprechende Schutzvorkehrungen hingewiesen und der Arbeitgeber diese gleichwohl unterlassen hat. Der Umstand, dass der Hersteller seinerseits gegen Anforderungen der Maschinenrichtlinie verstoßen hat, enthaftet in einem solchen Fall den Arbeitgeber nicht (vergleiche OLG Frankfurt, Urteil vom 03.02.2017, Az. 8 U 128/16).

 

Um eine Haftung und etwaige Sanktionen nach dem Produktsicherheitsgesetz zu vermeiden, müssen Hersteller und sonstige Inverkehrbringer darauf achten, ihre Produkte in der EU nur dann in Verkehr zu bringen, wenn sämtliche Anforderungen der Maschinenrichtlinie erfüllt sind. Hierfür müssen sie die jedes Jahr von der EU veröffentlichten, „harmonisierten Normen“ nach der Maschinenrichtlinie beachten. Diese spiegeln gleichsam den Stand der Technik wider, den der Hersteller oder sonstige Inverkehrbringer (etwa der Importeur) bei Inverkehrbringen der Maschine in der EU beachten muss. Nur wenn diese Anforderungen erfüllt sind, ist der Hersteller gemäß § 2 Nr. 7 ProdSG berechtigt, die CE-Kennzeichnung zu führen.

 

Die Maschinenrichtlinie gilt nicht nur für Maschinen im engeren Sinne, sondern auch für gleichgestellte Produkte wie Lastenaufnahmemittel, Kettenseile und Gurte, abnehmbare Gelenkwellen und sogenannte unvollständige Maschinen (Teilmaschinen). Dagegen fallen Einrichtungen und Produkte, für die spezielle Richtlinien existieren (zum Beispiel Aufzüge oder Funkanlagen) nicht unter die Maschinenrichtlinie.

 

Neben dem Produktsicherheitsgesetz kann auf eine in den Verkehr gebrachte Maschine auch das Produkthaftungsgesetz Anwendung finden. Voraussetzung ist, dass es sich bei der Maschine um eine bewegliche Sache im Sinne des § 2 Produkthaftungsgesetz handelt - auch wenn die bewegliche Sache Teil einer unbeweglichen Sache ist -, die Maschine einen Fehler im Sinne des § 3 Produkthaftungsgesetz aufweist und dieser den Benutzer an Körper oder Gesundheit verletzt oder eine andere, für den privaten Gebrauch bestimmte Sache beschädigt (§ 1 Produkthaftungsgesetz). Auch unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Haftung gegenüber dem Benutzer nach dem Produkthaftungsgesetz sollte der Hersteller oder sonstige Inverkehrbringer darauf achten, den Stand der Technik und damit insbesondere die Vorgaben der harmonisierten Normen nach der Maschinenrichtlinie einzuhalten.