Neue Rechtsprechung zum „Behindertentestament"

eingestellt am 29.10.2012

Neue Rechtsprechung zum „Behindertentestament“ – stille Einsetzung der Pflegeeinrichtung als Nacherbe ist zulässig

 

Mit Beschluss vom 26. Oktober 2012, Aktenzeichen IV ZB 33/10 traf der Bundesgerichtshof eine Entscheidung zum „Behindertentestament“: Zu entscheiden war die Frage, ob der Erblasser – hier die Mutter – den behinderten Sohn zum Vorerben und die Pflegeeinrichtung zum Nacherben einsetzen darf. Das Testament könnte, so der Einwand der Heimaufsichtsbehörde, wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 Landesheimgesetz Baden-Württemberg unwirksam sein. Vergleichbare Regelungen existieren in den Heimgesetzen der anderen Länder. Demnach darf ein Testament nicht dergestalt erfolgen, dass dadurch das Verhalten der Pflegeeinrichtung zu Lebzeiten des Behinderten positiv oder negativ beeinflusst werden kann. An einer solchen möglichen Beeinflussung fehlt es aber, wenn der Heimträger vom Testament erst nach dem Erbfall Kenntnis erlangt. Dabei kommt entscheidend auf den Erbfall selbst – also das Versterben des Erblassers –, nicht auf den Tod des Vorerben an. Es ist demnach zulässig, wenn der Erblasser – oftmals Vater oder Mutter – den eigenen Sohn oder die eigene Tochter zu Vorerben einsetzt und die Pflegeeinrichtung zum Nacherben, sofern die Pflegeeinrichtung hiervon vor dem Tod des Erblassers (hier also des Vaters oder der Mutter) keine Kenntnis erlangt. Es ist bei der Gestaltung der Testamente – neben anderen Aspekten – demnach darauf zu achten, dass der als Nacherbe eingesetzte Heimträger hierüber zunächst nicht informiert wird. Gepaart mit der Möglichkeit einer vollständigen oder teilweisen Befreiung des Vorerben und/oder der Einsetzung eines Testamentsvollstreckers ergeben sich Gestaltungsmöglich-keiten, um trotz der Einschränkungen des Heimgesetzes eine wirksame letztwillige Verfügung vorzunehmen.

 

 

30.10.2012

Dr. Marius Breucker



Kommentare

Wirklich überrascht hat das doch eigentlich nicht, oder?

Nachlassgericht-Verzeichnis , eingestellt am 29.01.2013

Nach der vorangegangenen Rechtsprechung, namentlich einem Urteil des Oberlandesgerichts München, war nicht unbedingt damit zu rechnen, dass der Bundesgerichtshof bei der Beurteilung der Kenntnis auf den Erbfall (nur) des Erblassers (und nicht auf den des Vorerben) abstellt. Dieser Auffassung war im konkreten Fall im Verwaltungsverfahren wie im Widerspruchsverfahren auch die Heimaufsichtsbehörde. Insofern bedeutete der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. Oktober 2012 durchaus eine (klarstellende) Neuerung.

Dr. Marius Breucker , eingestellt am 29.01.2013