Rückforderung von Entgeltfortzahlung – Wann verliert eine Krankschreibung ihren Beweiswert?

Veröffentlicht am 03.03.2025

Rückforderung von Entgeltfortzahlung – Wann verliert eine Krankschreibung ihren Beweiswert?
Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 5.7.2024, Az. 12 Sa 1266/23) hat entschieden: 

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist kein absoluter Beweis für eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Arbeitgeber können die Entgeltfortzahlung zurückfordern, wenn sie den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erfolgreich erschüttern.

Sachverhalt
Ein Arbeitnehmer wurde gekündigt und meldete sich am nächsten Tag krank. Sein Attest erstreckte sich exakt bis zum Ende der Kündigungsfrist. Während dieser Zeit leitete er ein Spiel  als Schiedsrichter. Der Arbeitgeber forderte daraufhin die Entgeltfortzahlung zurück.

Entscheidung des LAG 

Das Gericht sah den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als erschüttert an. Gründe dafür waren:

-   Auffälliger zeitlicher Zusammenhang zwischen Kündigung und Krankschreibung
-  Verstoß gegen die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (Krankschreibung über 20 Tage im Voraus)
-  Tätigkeit als Schiedsrichter, die mit einer behaupteten Arbeitsunfähigkeit nicht vereinbar schien

Da der Arbeitnehmer keine substanziierten Angaben zu seiner Erkrankung machte, galt die Behauptung des Arbeitgebers als zugestanden. Die Entgeltfortzahlung musste zurückgezahlt werden. Die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg knüpft hier nahtlos an eine Reihe von Entscheidungen des BAG zur Erschütterung des Beweiswerts ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung  an.

Praxistipps für Arbeitgeber

-  Zweifelhafte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sollten genau geprüft und dokumentiert werden.
-  Wenn Indizien (passgenaue Krankschreibung) für eine Erschütterung des Beweiswerts vorliegen, kann eine Rückforderung sinnvoll sein.
-  Ein Widerspruch zur behaupteten Arbeitsunfähigkeit (z. B. Sportaktivitäten) kann als Indiz herangezogen werden.

Praxistipps für Beschäftigte

-  Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung  ist kein unanfechtbarer Beweis – sie kann hinterfragt werden. Dennoch gilt: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung           haben weiterhin einen hohen Beweiswert und können nur bei erheblichen Indizien gegen deren Richtigkeit erschüttert werden.
-  Im Streitfall sollten Beschäftigte ihre Ärztinnen und Ärzte von der Schweigepflicht entbinden, um keine Nachteile im Prozess um die Entgeltrückzahlung         zu erleiden.


Marie Mickeleit, Rechtsanwältin 

Bildquelle: https://pixabay.com/de/photos/stethoskop-h%C3%B6ren-pflege-checkup-3541909/