Scheinselbstständigkeit bei Lehrkräften: Übergangsregelung schafft vorübergehende Rechtssicherheit

Veröffentlicht am 03.04.2025

Scheinselbstständigkeit bei Lehrkräften: Übergangsregelung schafft vorübergehende Rechtssicherheit

Hintergrund: Unsicherheit durch das Herrenberg-Urteil

Das sogenannte Herrenberg-Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Juni 2022 (Az. B 12 R 4/20 R) hat die Abgrenzung zwischen selbstständiger und abhängiger Tätigkeit bei Lehrkräften deutlich verschärft. Die Tätigkeit einer Musikschullehrerin wurde – entgegen der bisherigen Praxis – nicht als selbständige Tätigkeit, sondern als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung eingeordnet. In der Folge kam es zu erheblicher Unsicherheit bei der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung freier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bildungsbereich.


Übergangsregelung nach § 127 SGB IV

Als Reaktion auf diese Entwicklung hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. März 2025 mit § 127 SGB IV eine befristete Übergangsregelung geschaffen. Diese Regelung ermöglicht es, Lehrtätigkeiten bis zum 31. Dezember 2026 weiterhin als selbstständige Tätigkeiten zu behandeln. Voraussetzung dafür ist, dass


- beide Parteien bei Vertragsschluss von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen sind und


- die Person, die die Lehrtätigkeit ausübt, zustimmt.


Was bedeutet das für Lehrkräfte?

Lehrkräfte sollten sorgfältig prüfen, ob sie der vorübergehenden Einstufung als Selbstständige zustimmen. Ein Arbeitsverhältnis mag auf den ersten Blick attraktiv erscheinen – mit Vorteilen wie Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Anspruch auf Urlaub. Doch es drohen auch Risiken:


Es ist in der Regel davon auszugehen, dass die Vergütung freier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter höher ist, als es im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses der Fall gewesen wäre. Wird eine freie Tätigkeit rückwirkend als abhängige Beschäftigung gewertet, kann ein Rückforderungsanspruch des Auftraggebers im Hinblick auf die überzahlte Vergütung bestehen.


Zudem kommt eine steuerliche Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses in Betracht, die zu zusätzlichem Aufwand und finanziellen Nachteilen führen kann.


Die Rechtsunsicherheit über die Einordnung des Beschäftigungsverhältnisses führt auch bei Lehrkräften zu Risiken. Eine individuelle Prüfung der Vertragslage ist daher dringend zu empfehlen.


Was bedeutet das für Bildungseinrichtungen?

Die Übergangsregelung bietet Bildungsträgern die Möglichkeit, die Rechtsunsicherheit kurzfristig zu beseitigen und die mitunter existenzgefährdende Situation zumindest vorübergehend zu entschärfen. Es ist in vielen Fällen sinnvoll, die Übergangszeit zur Entwicklung eines rechtssicheren Beschäftigungsmodells zu nutzen. Dazu sollte zeitnah die Zustimmung der Lehrkräfte eingeholt werden. Besonders wichtig ist in dieser Konstellation die frühzeitige und transparente Kommunikation mit den Lehrkräften, um die positiven Aspekte der Übergangsregelung für beide Seiten herauszustellen.


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