
In der Praxis taucht immer wieder die Frage auf, ob der Gesellschafter einer GmbH persönlich oder aber mit seiner eigenen Gesellschaft im Verhältnis zur GmbH einem Wettbewerbsverbot unterliegt. Bejahendenfalls läge in einem gleichwohl ausgeübten Wettbewerb ein Pflichtverstoß, der - je nach Regelung im Gesellschaftsvertrag – etwa zur Einziehung eines Gesellschaftsanteils und damit zum Ausschluss des Gesellschafters aus der Gesellschaft führen kann.
1. Satzungsrechtliches Wettbewerbsverbot aus GmbH-Gesellschaftsvertrag?
Es ist vorrangig zu prüfen, ob der Gesellschaftsvertrag ein umfassendes oder partielles Wettbewerbsverbot vorsieht. Wenn ja, ist zu prüfen, ob der Gesellschaftsvertrag auch die Rechtsfolge im Falle eines Verstoßes regelt.
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a. Verstoß gegen Wettbewerbsverbot als „wichtiger Grund“
Denkbar ist auch, dass der Gesellschaftsvertrag zwar ein Wettbewerbsverbot statuiert, aber nicht ausdrücklich festlegt, welche Rechtsfolge im Falle eines Verstoßes gelten soll. Es ist dann zu prüfen, ob der Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit von Maßnahmen wie der Einziehung des Gesellschaftsanteils im Falle des Vorliegens eines „wichtigen Grundes“ vorsieht.
Nach herrschender Rechtsprechung liegt ein ggf. zur Einziehung des Gesellschaftsanteils berechtigender „wichtiger Grund“ grundsätzlich vor bei einer nachhaltigen groben Pflichtverletzung, die so schwer wiegt, dass nach umfassender Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine andere Lösung den übrigen Gesellschafter nicht zumutbar ist (BGH GmbHR 1994, 408,409; OLG Stuttgart, GmbHR 2019, 67, 74.). Auf dieser Grundlage wurde bereits entscheiden, dass ein schwerer Verstoß gegen ein gesellschaftsvertraglich statuiertes Wettbewerbsverbot je nach den Umständen des Einzelfalls einen zur Einziehung des Gesellschaftsanteils berechtigenden „wichtigen Grund“ darstellen kann (OLG Nürnberg, GmbHR 1994, 52; LG Hamburg NZG 1998, 194).
b. Grenzen eines gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbotes
Umgekehrt kann die GmbH-Satzung nicht beliebig generelle Wettbewerbsverbote vorsehen, sondern muss dabei das grundrechtlich regelmäßig durch Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) und Art. 2 Abs. 1 GG (Wettbewerbsfreiheit als Teil der allgemeinen Meinungsfreiheit) geschützte Interesse des Gesellschafters berücksichtigen. Zwar gelten die Grundrechte im zivilrechtlichen Verhältnis des Gesellschafters zur GmbH nicht unmittelbar, finden aber über die Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB und § 242 BGB mittelbar Anwendung und sind daher auch bei der Interessenabwägung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter berücksichtigen. Das Oberlandesgericht München entschied mit Urteil vom 11. November 2010 (Az. U (K) 2143/10), dass ein in der Satzung der GmbH vorgesehenes umfassendes Wettbewerbsverbot für einen Gesellschafter mit einem Anteil von 20 % unverhältnismäßig und im Ergebnis unwirksam sei, da es im konkreten Fall über die schützenswerten, berechtigten Interessen der Gesellschaft hinausging und den Gesellschafter übermäßig beschränkte.
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2. Gesetzliches Wettbewerbsverbot?
Fehlt es an einem gesellschaftsvertraglich geregelten Wettbewerbsverbot, ist ein GmbH-Gesellschafter nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich zum Wettbewerb berechtigt: Weder das GmbH-Gesetz noch andere gesetzliche Bestimmungen sehen ein ausdrückliches Wettbewerbsverbot für GmbH-Gesellschafter vor.
§ 112 Abs. 1 HGB, wonach ein Gesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaft grundsätzlich einem Wettbewerbsverbot unterliegt, gilt unmittelbar (nur) für die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) und gemäß § 161, 165 HGB für die persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (KG), nicht aber für die Gesellschafter einer GmbH. Dies rechtfertigt sich dadurch, dass die Gesellschafter einer OHG und der Komplementär einer KG persönlich haften und ihre Gesellschafterstellung - der gesetzlichen Konzeption und Struktur einer Personengesellschaft folgend - auf besonderem persönlichen Vertrauen beruht, während die Stellung als Gesellschafter einer GmbH nach der Gesetzessystematik grundsätzlich weder eine persönliche Haftung begründet noch auf besonderem persönlichen Vertrauen fußt.
3. Wettbewerbsverbot aufgrund gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht?
Mangels expliziter gesetzlicher Regelung kann sich ein Wettbewerbsverbot bei fehlender Regelung im Gesellschaftsvertrag aus der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ergeben, die nach der Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen eine erweiternde, analoge Anwendung des § 112 HGB rechtfertigen oder sogar gebieten kann.
a. Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht
Gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten folgen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB und darüber hinaus aus den in §§ 45 ff. GmbHG zum Ausdruck kommenden Rechten und Pflichten der Gesellschafter. Demnach sind Gesellschafter grundsätzlich gehalten, den Gesellschaftszweck loyal zu fördern und Handlungen zu unterlassen, die seine Erreichung behindern könnten (BGH, Urteil vom 30. November 2009 – II ZR 208/08, ZIP 2010, 324 juris Rn. 16; BGH Urteil vom 23. Juni 2009 – KZR 58/07, ZIP 2009, 2263 juris Rn 17; BGH Urteil vom 3. Mai 1988 – KZR 17/87, BGHZ 104, 246, juris Rn 26; BGH Urteil vom 5. Dezember 1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162 juris Rn 17; OLG Stuttgart, Urteil vom 21. März 2019, - 14 U 26/16 – Rn 58 ff., juris). Ein schwerwiegender Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treupflicht kann je nach den Umständen des Einzelfalls grundsätzlich einen „wichtigen Grund“ bilden (OLG München, DB 1994, 320, 321), der eine im Gesellschaftsvertrag für diesen Fall vorgesehene Einziehung des Gesellschaftsanteiles rechtfertigen kann.
b. Voraussetzungen eines Wettbewerbsverbotes aus gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht
Da die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht Ausdruck des allgemeinen - unter Gesellschaftern gesteigert geltenden - Grundsatzes von Treu und Glauben ist, ist die Annahme eines darauf gegründeten Wettbewerbsverbotes stets das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei sind unter anderem die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft und ihre berechtigte Erwartung an ein grundsätzlich loyales Verhalten des Gesellschafters einerseits und die Interessen des Gesellschafters an einer freien wirtschaftlichen Tätigkeit auch außerhalb der Gesellschaft andererseits ins Verhältnis zu setzen und abzuwägen. Da eine wirtschaftlich tätige Gesellschaft per se ein Interesse daran hat, möglichst wenig Wettbewerb ausgesetzt zu sein, kann dieses allgemeine Interesse kein generelles Wettbewerbsverbot der Gesellschafter rechtfertigen. Vielmehr ist bei der Beurteilung eines etwaigen Wettbewerbsverbot stets die im konkreten Fall bestehende Stellung des Gesellschafters und der Umfang seines Einflusses auf die Gesellschaft zu berücksichtigen und ins Verhältnis zu den Interessen der Gesellschaft zu setzen. Maßstab für das aus der Gesellschafterstellung folgende Gefahrenpotential für die Interessen der Gesellschaft ist demnach die innere Stellung des Gesellschafters, aufgrund derer ihm die Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft möglich ist und die damit zugleich das Maß seiner Treuepflicht bestimmt (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162 juris Rn).
Bislang bejahte die Rechtsprechung vor diesem Hintergrund ein Wettbewerbsverbot aufgrund der Treuepflicht nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, namentlich wenn über die im Falle eines Wettbewerbs grundsätzlich immer gegebene Beeinträchtigung der berechtigten wirtschaftlichen Interessen der GmbH hinaus der jeweilige Gesellschafter einen maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben konnte. Dies setzt nach herrschender Rechtsprechung voraus, dass es sich bei dem in Wettbewerb tretenden Gesellschafter um einen Mehrheitsgesellschafter (a) oder aber um einen Minderheitsgesellschafter mit besonderer Bedeutung für die GmbH handelt (b).
aa. Wettbewerbsverbot für Mehrheitsgesellschafter
Im Urteil vom 5. Dezember 1983 (Az. II ZR 242/82) entschied der Bundesgerichtshof, dass ein Wettbewerbsverbot für einen Gesellschafter ausnahmsweise dann bestehe, wenn er einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung hat und die Gesellschaft beherrscht. Im konkreten Fall bejahte dies der Bundesgerichtshof für einen Gesellschafter mit einem Anteil von 80 %.
bb. Wettbewerbsverbot für Minderheitsgesellschafter mit maßgeblichem Einfluss
Für einen Minderheitsgesellschafter kann sich aufgrund der allgemeinen Treuepflicht allenfalls ausnahmsweise ein Wettbewerbsverbot ergeben. Das kann je nach den konkreten Umständen der Fall sein, wenn der Gesellschafter trotz seines relativ geringen Gesellschaftsanteils die Geschicke der Gesellschaft faktisch bestimmt oder jedenfalls bestimmen kann (BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 – KZR 58/07, ZIP 2009, 2263 juris Rn. 18; BGH, Urteil vom 30. November 2009 – II ZR 208/08, ZIP 2010, 324). Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass ein Minderheitsgesellschafter mit einem 40 %-Anteil in einer personalistisch strukturierten – also auf persönlichem Vertrauen fußenden - GmbH dann einem ungeschriebenen Wettbewerbsverbot unterliege, wenn es sich um den operativ maßgeblichen, allein vertretungsberechtigten und de facto für die Geschäfte der nach ihm benannten GmbH allein verantwortlichen (Gesellschafter-) Geschäftsführer handelt (OLG Hamm, Urteil vom 9. November 1988, - 8 U 295/87 - juris, zitiert im fortführenden Urteil des BGH vom 16. Oktober 1989 – II ZR 2/89 –, juris).
4. Fazit
Regelt der Gesellschaftsvertrag kein Wettbewerbsverbot, ist ein GmbH-Gesellschafter grundsätzlich zum Wettbewerb berechtigt, da das Gesetz für den GmbH-Gesellschafter – anders als etwa für persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft – kein allgemeines Wettbewerbsverbot vorsieht. Etwas anderes kann sich im Einzelfall nach dem Grundsatz von Treu und Glauben aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ergeben, wobei dies nach der Rechtsprechung eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und jedenfalls einen beherrschender Einfluss des Gesellschafters voraussetzt – sei es als Mehrheitsgesellschafter oder aber als operativ entscheidender Gesellschafter-Geschäftsführer.