
Zukunft der Sportschiedsgerichtsbarkeit
Die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkheit (DIS) lud im Rahmen der DIS40-Veranstaltungreihe zu Vorträgen von Dr. Jan Räker und Dr. Marius Breucker über Status und Zukunft der Sportschiedsgerichtsbarkeit am 1. Oktober 2015 in die Räume des VfB Stuttgart 1893.
Nach Begrüßung durch Dr. Roland Kläger (Haver & Mailänder) referierte
der Justitiar des VfB Stuttgart, Dr. Jan Räker, über seine Tätigkeit als
Schiedsrichter am Court of Arbitration for Sport (CAS) in Lausanne. Er führte
aus, wie die Ernennung zum CAS-Richter und die anschließende Tätigkeit in
Zusammenarbeit mit dem CAS und den Schiedsrichterkollegen verläuft. Anhand
dreier Fälle legte er anschaulich dar, dass die Bandbreite der Streitigkeiten
vor dem CAS von Transfer- und Zahlungsfragen, über die Wahl und Absetzung von
Verbandspräsidenten bis hin zur einstweiligen Verfügung über die Zulassung zur
Fußball-Champions-League reichen kann. Als Besonderheit erlebe er das
Zusammentreffen verschiedener Rechtskulturen, was einerseits zu
unterschiedlichen Herangehensweisen führe, zugleich aber auch neue Perspektiven
eröffne.
Urteil des Oberlandesgerichtes München vom 15.01.2015
Im zweiten Vortrag skizzierte Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker aus Stuttgart die Historie der „Causa Pechstein“ und deren aktuellen Stand sowie die Folgen für die Schiedsgerichtsbarkeit. Die Kanzlei Wüterich Breucker hatte die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft vertreten. Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 15.01.2015 sind Schiedsvereinbarungen zwischen Monopolverbänden und Athleten wegen Verstoßes gegen das Kartellrecht unwirksam, sofern sie als Schiedsgericht den Court of Arbitration for Sport in seiner derzeitigen Ausgestaltung vorsehen. Es liege dann ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch den Sportverband vor. Denn wenn der Athlet frei entscheiden könne, würde er sich bei objektiver Betrachtung nicht für eine Schiedsgerichtsbarkeit in der derzeitigen Ausgestaltung des Internationalen Sportschiedsgerichtshofs (CAS) entscheiden, so der Münchner Kartellrechtssenat.
Ablauf des Verfahrens ISU vs. Claudia Pechstein
Breucker erläuterte den Gang des Verfahrens von auffälligen Blutwerten Pechsteins bei der Eisschnelllauf-Weltmeisterschaft im Norwegischen Hamar im Februar 2009 über das Verfahren vor der Disziplinarkommission des Internationalen Eisschnelllaufverbandes (ISU) in Bern Ende Juni bis hin zum Schiedsgerichtsverfahren vor dem CAS Anfang Oktober 2009 in Lausanne. Es folgten ein Beschwerdeverfahren und ein Revisionsverfahren vor dem schweizerischen Bundesgericht, bevor die Athletin Klage auf Schadensersatz gegen die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) und die ISU vor dem Landgericht München erhob.
Weiterhin anhängig ist ein Verfahren der Athletin vor dem Europäischen Menschengerichtshof (EGMR).
Schon das Landgericht München hielt in seinem erstinstanzlichen Urteil vom 26.02.2014 die getroffenen Schiedsvereinbarungen für unwirksam. Es verneinte gleichwohl die Zulässigkeit der von Claudia Pechstein erhobenen Klage, da sich die Athletin aufgrund des zuvor durchgeführten Schiedsverfahrens nicht mehr auf die Unwirksamkeit der zugrunde liegenden Schiedsvereinbarung berufen könne. Zudem stehe einem Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der verhängten Dopingsperre die Rechtskraft des Schiedsspruchs entgegen.
Das Oberlandesgericht München kam zu einem anderen Ergebnis und entschied in einem Zwischenurteil, dass die Klage zulässig sei. Da es um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung geht, ließ das Oberlandesgericht die Revision zum Bundesgerichtshof zu. Über diese ist noch nicht entschieden.
Reform der CAS
Nach den Vorträgen von Dr. Jan Räker und Dr. Marius Breucker schloss sich eine Diskussion der anwesenden Sportschiedsrichter und Rechtsanwälte an. Unter der Moderation von Dr. Roland Kläger diskutierten die Teilnehmer unter anderem über den vom Oberlandesgericht München aufgeworfenen Reformbedarf am Court of Arbitration for Sport. Im Mittelpunkt der Überlegungen standen die Fragen, wie der „International Council of Arbitration for Sport“ (ICAS) ausgewogener besetzt werden könne und ob die derzeit geschlossenen Schiedsrichterliste des CAS geöffnet werden solle.
„DIS40“ ist ein Zusammenschluss junger Schiedsrichter der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit zum regelmäßigen Austausch über Fragen des Schiedsverfahrensrechts.
Mit den Lehren aus dem Verfahren der International Skating Union (ISU) gegen die Athletin Claudia Pechstein setzt sich der Beitrag „Aus Causa Pechstein lernen“ auseinander:
http://de.slideshare.net/MariusBreucker/marius-breucker-aus-causa-pechstein-lernen
Zum Inhalt und zu den sportrechtlichen Konsequenzen des Urteils des Oberlandesgerichts München vom 15.01.2015 führte der Deutschlandfunk (DLF) ein Interview mit dem Stuttgarter Sportrechtler Dr. Marius Breucker: