Bank- und Kapitalmarktrecht Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Juni – Dezember 2020)

eingestellt am 04.05.2021

Der Bundesgerichtshof hat im zweiten Halbjahr zahlreiche Entscheidungen im Bank- und Kapitalmarktrecht gefällt. Diese betrafen die Geschäftsbeziehung zwischen Bank und Kunde, das Kreditvertragsrecht, das Kapitalmarkt- und anlagerecht sowie Besonderheiten des Verfahrens- und Prozessrechts.

 

A.  Geschäftsverbindung Bank- und Kunde

 

BGH, Urteil vom 30.06.2020 – XI ZR 119/19 –:

Gegenstand des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 30.06.2020 – XI ZR 119/19 – war eine Entgeltklausel für ein Zahlungskonto (Basiskonto). Danach ist eine Entgeltklausel unwirksam, wenn der Mehraufwand der Bank für die Führung von Zahlungskonten alleine auf die Inhaber des Basiskontos umgelegt wird.

 

BGH, Urteil vom 22.09.2020 – XI ZR 162/19 -:

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.09.2020 – XI ZR 162/19 – müssen Informationen, wenn ein Unternehmen sowohl eine Website als auch AGB verwendet, sowohl nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 VSBG (Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen) auf der Website erscheinen als auch nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG in den AGB aufgenommen werden.

 

B.  Kreditvertragsrecht

 

BGH, Urteil vom 14.07.2020 – XI ZR 553/19 -:

Mit Urteil vom 14.07.2020 – XI ZR 553/19 – hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Hemmungstatbestand des § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB auch den Anspruch auf Rückzahlung nach § 488 Abs. 1 Satz 2, 497 Abs. 1 Satz 1 BGB nach Gesamtfälligstellung des Teilzahlungsdarlehens wegen Zahlungsverzuges erfasst. Zudem hat der Bundesgerichtshof die Voraussetzungen einer Gesamtfälligstellung nach § 498 Abs. 1 BGB definiert.

 

BGH, Urteil vom 22.09.2020 – XI ZR 219/19 -:

In Abgrenzung zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09.03.1993 – XI ZR 179/92 – hat ein Bürge nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.09.2020 – XI ZR 219/19 – kein Widerrufsrecht nach § 312g BGB.

 

BGH, Urteil vom 28.07.2020 – XI ZR 288/19 -:

Bei einem KfZ – Darlehen als Verbrauchervertrag berührt nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.07.2020 – XI ZR 288/19 – lediglich den Anspruch auf die Vorfälligkeitsentschädigung, wenn die Methode der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung fehlerhaft ist. Das Widerrufsrecht und dessen Fristbeginn bleibt hiervon unberührt.

 

BGH, Urteil vom 27.10.2020 – XI ZR 489/19 -:

Am 27.10.2020 – XI ZZR 489/19 – hat der Bundesgerichtshof die strittige Frage geklärt. Dass sich eine Bank kann nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion in der Widerrufsbelehrung berufen kann, wenn in der Widerrufsinformation bei den Hinweisen zu weiteren Verträgen neben einem von den Parteien geschlossenen – verbundenen – (Kauf-)vertrag noch weitere, im Einzelfall nicht abgeschlossene (Versicherungs-)verträge aufgeführt sind.

 

BGH, Urteil vom 10.11.2020 – XI ZR 426/19 -:

Eine Bank kann sich nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.11.2020 – XI ZR 426/19 – auch dann nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen, wenn in der Widerrufsinformation Zwischenüberschriften „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“/“Einwendungen bei verbundenen Verträgen“ fehlen.

 

BGH, Beschluss vom 26.05.2020 – XI ZR 544/19 -:

Bei grauer Unterlegung der Überschrift und in Fettdruck gehaltener Zwischenüberschrift greift zu Gunsten der Bank nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26.05.2020 – XI ZR 544/19 – die Gesetzlichkeitsfiktion ein.

 

BGH, Beschluss vom 23.06.2020 – XI ZR 491/19 -:

Mit Beschluss vom 23.06.2020 – XI ZZR 491/19 – hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass ein Darlehensvertrag und ein Kaufvertrag über einen PKW mit Restschuldversicherung auch dann ein verbundener Vertrag nach § 358 BGB ist, wenn die Restschuldversicherung in Gestalt einer Gruppenversicherung abgeschlossen worden ist.

 

BGH, Beschluss vom 07.07.2020 – XI ZR 258/19 -:

Im Falle einer unechten Abschnittsfinanzierung finden nach dem Beschuss des Bundesgerichtshofs vom 07.07.2020 – XI ZR 258/19 – die Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Konditionenanpassungen keine Anwendung. Der Verbraucher hat in einer solchen Konstellation kein Widerrufsrecht.

 

BGH, Urteil vom 07.07.2020 – XI ZR 542/18 -:

Mit Urteil vom 07.07.2020 – XI ZR 542/18 – hat der Bundesgerichtshof zum Nachteil von Verbrauchern entschieden, dass bei Widerruf des Darlehens der Darlehensnehmer Bereitstellungszinsen in der sogenannten Ziehungsperiode zu bezahlen hat.

 

BGH, Urteil vom 07.07.2020 – XI ZR 320/18 -:

Nach wirksamem Widerruf des Darlehens steht der Bank nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.07.2020 – XI ZR 320/18 – dem Grunde nach Anspruch auf Wertersatz für Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich überlassenen Teil der Darlehensvaluta zu.

 

C.  Kapitalmarkt- und anlagerecht

 

BGH, Urteil vom 21.07.2020 – II ZR 175/19 -:

Ein Kommanditist kann gegen seine Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter gerichtet auf Rückzahlung gewinnunabhängiger Entnahmen nach § 422 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1 BGB entsprechend einwenden, dass durch Zahlungen anderer Kommanditisten der zur Deckung der von der Haftsumme der Gesellschafter erfassten Gesellschaftsschulden nötige Betrag bereits aufgebracht worden ist. Zugunsten der Kommanditisten hat dies der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 21.07.2020 – II ZR 175/19 – entschieden. Danach trägt zwar der Kommanditist die Darlegungs- und Beweislast ob der Tatsache, dass der nötige Betrag bereits aufgebracht ist. Den Insolvenzverwalter trifft aber die sekundäre Darlegungslast. Er muss hierzu bedeutsame Verhältnisse der Gesellschaft darlegen.

 

BGH, Beschluss vom 15.09.2020 – II ZR 183/19 -:

Im Anschluss an das Urteil vom 21.07.2020 – II ZR 175/19 – hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seine Rechtsprechung mit Beschluss vom 15.09.2020 – II ZR 183/19 – konkretisiert. Er hat ein klageabweisendes Urteil bestätigt, da der Insolvenzverwalter im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast nicht vorgetragen hat, in welcher Höhe er Rückzahlungen von Kommanditisten bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eingezogen hat.

 

BGH, Urteil vom 04.08.2020 – II ZR 174/19 -:

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 04.08.2020 – II ZR 174/19 – befasst sich mit dem Verhältnis zwischen einer öffentlich-rechtlichen Rückabwicklungsanordnung der BaFin nach § 37 Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes (KWG) und der zivilrechtlichen Haftung eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Die aus einer Rückabwicklungsanordnung der BaFin nach § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG folgende öffentlich-rechtliche Verpflichtung einer GbR zur Rückzahlung gesellschaftsvertraglich begründeter Einlagenzahlungen der Gesellschafter ändert nach diesem Urteil nichts an dem gesellschaftsrechtlichen Charakter dieser Zahlung als haftendes Kapital, hinter dem die öffentlich-rechtliche Verpflichtung jedenfalls in der Insolvenz der Gesellschaft zurückzutreten hat.

 

BGH, Urteil vom 13.08.2020 – III ZR 148/19 -:

Dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.08.2020 – III ZR 148/19 – lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Anleger hat nach der Kapitalanlagekonstruktion Erdöl- und Ergasförderrechte (sog. „working interests“) gekauft. Der Kauf solcher Förderrechte, verbunden mit Eigentumsanteilen an Rohstoffreserven und Ausrüstung stellt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs dem Erwerb einzeln zuzuordnender Vermögensgegenständen dar und steht damit dem Erwerb von Immobilien und Waren gleich. Auch auf derartige Anlageobjekte wendet der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung an, wonach eine Aufklärungspflicht über Innenprovisionen nur dann eingreift, wenn die Innenprovision einschließlich des vom Anleger zu entrichtenden Aufgeld (Agio) 15% des einzubringenden Eigenkapitals überschreitet.

 

Unabhängig von der Gesamthöhe der Innenprovision müssen diesbezügliche Angaben im Prospekt zutreffend sein; eine Irreführungsgefahr darf nicht bestehen.

 

Im vorliegenden Fall war eine Aufklärungspflicht zu verneinen, weil die Innenprovision einschließlich des vom Anleger zu erbringenden Agios unter der kritischen Schwelle von 15% des Kaufpreises lag.

 

Die Prospektangaben waren auch nicht irreführend. Allein der Umstand, dass in dem Prospekt ein Agio erwähnt wird erweckt nicht den Eindruck, dass es keine weiteren Innenprovisionen gibt., die der Käufer aus dem Kaufpreis aufzubringen hat.

 

BGH, Urteil vom 15.09.2020 – II ZR 20/19 -:

Der Erwerber eines Kommanditanteils haftet nicht für eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung des Veräußerers, die diesem von einem Anleger zur Last gelegt wird. Die Aufklärungspflicht trifft den Altgesellschafter nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.09.2020 – II ZR 20/19 – nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis, das übertragen worden ist. Die Aufklärungspflicht des Altgesellschafters ist mithin keine Verbindlichkeit im Sinne von § 173 des Handelsgesetzbuchs (HGB).

 

BGH, Urteil vom 22.09.2020 – XI ZR 39/19 -:

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.09.2020 – XI ZR 39/19 – befasst sich mit der Haftung des Kommissionärs im Falle der Aufhebung des Ausführungsgeschäfts im börslichen Freiverkehr wegen Mistrade.

 

BGH, Urteil vom 17.09.2020 – III ZR 283/18 -:

Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.09.2020 – III ZR 283/18 – hat dieser seine Rechtsprechung zur Haftung von Sicherheitentreuhändern konkretisiert. Ein Sicherheitentreuhänder ist nach diesem Urteil zwar aus dem zwischen ihm und dem Emittenten zugunsten der Anleger geschlossenen Treuhandvertrag verpflichtet, diesen über Umstände zu informieren, die den Vertragszweck, für den Sicherheitentreuhänder erkennbar, gefährden können. Dies gilt insbesondere, soweit es um die Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Durchführung der treuhänderischen Tätigkeit geht.

 

Die Aufklärungspflicht wird aber durch die Reichweite der treuhänderischen Pflichten bestimmt und begrenzt. Eine vorvertragliche Aufklärung der Anleger ist daher grundsätzlich nur dann geschuldet, wenn ein Bezug zu den Aufgaben als Sicherheitentreuhänder besteht. Risiken und Renditeaussichten der Kapitalanlage als solcher sind hiervon regelmäßig nicht erfasst.

 

Ein weiteres Problem, dass der Bundesgerichtshof im Ergebnis zu Gunsten des Sichereheitentreuhänders entschieden hat war, dass dieser als Anwaltskanzlei für die Emittentin bereits im Prospektbilligungsverfahren tätig war. Einen Verstoß gegen die anwaltliche Verschwiegenheitsverpflichtung, einen aufklärungspflichtigen Interessenskonflikt nach § 43a Abs. 4 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sowie ein Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 2 Nr. 2 BRAO hat der Bundesgerichtshof im Ergebnis verneint.

 

BGH, Beschluss vom 06.10.2020 – XI ZB 28/19 -:

In einem Kapitalanleger-Musterverfahren hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 06.10.2020 – XI ZB 28/19 – wie folgt entschieden: Ergibt sich aus den Darstellungen in einem Verkaufsprospekt nach § 8f Abs. 1 des Verkaufsprospektgesetzes (VerkaufsProspG) in der bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung eine höhere Anzahlt vermieteter als bereits errichteter KfZ-Stellplätze und enthält der Prospekt widersprechende Angaben zum Stand der erteilten behördlichen Genehmigungen, ist der damit verbundene Prospektfehler für einen Anlagevermittler auf Grund der von ihm geschuldeten Plausibilitätsprüfung und für eine beratende Bank auf Grund der von ihr geschuldeten Überprüfung der Anlagen mit banküblich kritischem Sachverstand erkennbar.

 

D.  Besonderheiten des Verfahrens- und Prozessrechts

 

BGH, Beschluss vom 21.07.2020 – II ZB 19/19 -:

 

Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21.07.2020 – II ZB 19/19 – befasst sich mit der Abgrenzung der örtlichen Zuständigkeit in Kapitalanlage-Musterverfahren bei verspäteten Ad-hoc Mitteilungen im Abgasskandal. Nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO besteht danach eine ausschließliche Zuständigkeit am Sitz des betroffenen Emittenten (VW: Braunschweig; Porsche: Stuttgart).

 

BGH, Beschluss vom 28.07.2020 – II ZB 21/19 -:

Eine Aussetzung nach § 8 Abs. 1 KapMuG ist nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21.07.2020 – XI ZB 21/19 – unzulässig, wenn die geltend gemachten Ansprüche nicht nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 KapMuG in den Anwendungsbereich des Kapitalanlagemusterverfahrensgesetzes fallen. Voraussetzung hierfür ist, dass eine Prospektübergabe tatsächlich rechtzeitig stattgefunden hat. Eine bloße mündliche Beratung ist nicht ausreichend. Ggf. muss hierzu eine Beweisaufnahme erforderlich. Zudem können Beratungspflichtverletzungen, die keinen Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation haben nicht Gegenstand eines Musterverfahrens sein.

 

BGH, Beschluss vom 30.07.2020 – III ZB 47/19 -:

Mit Beschluss vom 30.07.2020 – III ZZR 47/19 – hat der Bundesgerichtshof die Grenzen zulässiger Feststellungsziele eines Kapitalanlagemusterverfahrens definiert. Das Feststellungsbegehren, bestimmte Informationen aus Rechenschaftsberichten und Zwischenberichten sowie aus sonstigen an die Anleger adressierten Schreiben seien „inhaltlich geeignet“, den Beginn der Verjährung von Prospekthaftungsansprüchen zu begründen ist nicht verallgemeinerungsfähig und damit in Kapitalanlage-Musterverfahren unzulässig.

 

BGH, Urteil vom 01.10.2020 – III ZR 60/19 -:

Um eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB herbeiführen zu können, muss in Anlageberatungsfällen ein Güteantrag nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 01.10.2020 – III ZR 60/19 – regelmäßig die konkrete Kapitalanlage bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum angeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben umreißen. Ferne ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner und der Gütestelle auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist. Eine genaue Bezifferung der Forderung muss der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten.

 

Im konkreten Fall wurde die Person des Beraters völlig falsch dargestellt. Im Güteantrag wurde falsch angegeben, dass der Anleger vom Geschäftsführer der Beklagten – statt vom Zeugen L. – beraten worden sei. Es fehlten zudem jegliche Angaben dazu, was dem Anleger gesagt worden sei. Ansprüche sind letztlich auch nicht auf Prospektfehler gestützt worden, da behauptet wurde, dass der Prospekt gar nicht übergeben worden ist.

 

 

 

Stuttgart, den 23. April 2021

 

Oliver Renner

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

 

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