
Nach dem Feuerzeugwurf auf den Bochumer Torwart Patrick Drewes beim Bundesligaspiel 1. FC Union Berlin gegen VfL Bochum am 14. Dezember 2024 entschied das DFB-Sportgericht auf Einspruch des VfL Bochum am 9. Januar 2025, das Spiel mit 2:0-Toren zugunsten des VfL Bochum zu werten. Hiergegen legte der 1. FC Union Berlin Berufung vor dem DFB-Bundesgericht ein, der sich Holstein Kiel und der FC St. Pauli anschlossen.
Bild von unbekanntem Photographen auf Pixabay, erstmals veröffentlicht am 15. Oktober 2014 (https://pixabay.com/de/photos/fu%C3%9Fballfeld-gras-markierung-ecke-488387/)
Die Spielordnung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) (https://media.dfl.de/sites/2/2024/12/Spielordnung-SpOL-2024-12-06-Stand.pdf) verweist hinsichtlich von Vorkommnissen in Bundesspielen und für Einsprüche gegen die Spielwertung grundsätzlich auf die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB (https://assets.dfb.de/uploads/000/298/073/original_292214-Heft_07_Rechts-Verfahrensordnung_Ethik-Kodex_20231001.pdf?1709807183). Nach dieser kann auf den Einspruch des VfL Bochum hin entweder – wie in erster Instanz durch das DFB-Sportgericht – auf Wertung mit 2:0 zugunsten des VfL Bochum, auf Zurückweisung des Einspruchs und Beibehalten des ursprünglichen Endergebnisses von 1:1 oder aber auf Spielwiederholung entschieden werden.
Regelungen der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB
Maßgebliche Bestimmungen zu den Voraussetzungen eines Einspruchs gegen die Spielwertung finden sich in § 17 Rechts- und Verfahrensordnung des DFB (RuVO); zur Rechtsfolge im Falle eines Spielabbruchs finden sich zudem Regelungen in § 18 RuVo. Die Fälle, in denen ein Spiel zugunsten der gegnerischen Mannschaft mit 2:0 zu werten ist, werden dort explizit aufgeführt: Gemäß § 17 Nr. 4 S. 1, erster Halbsatz RuVO gilt dies bei Teilnahme eines nicht spiel- oder einsatzberechtigten Spielers und einen darauf gemäß § 17 Nr. 2 lit. a) RuVO gestützten Einspruch. Gemäß § 18 Nr. 4 S. 2 RuVO ist weiterhin zwingend die Rechtsfolge einer 2:0-Wertung für den Gegner auszusprechen, wenn ein Spiel durch Entscheidung des Schiedsrichters aufgrund Verschuldens des Vereins abgebrochen wird.
Feuerzeugwurf, verletzungsbedingter Ausfall des Torhüters und Unterzahl
Aufgrund des aus dem Union-Fan-Block geworfenen Feuerzeuges konnte der Bochum Torhüter Patrick Drewes ausweislich der öffentlichen Berichterstattung verletzungsbedingt nicht weiterspielen, sodass Bochum das Spiel in Unterzahl beenden und statt des Torhüters seinen Stürmer Philipp Hofmann ins Tor stellen musste. Vor diesem Hintergrund kommt insbesondere ein Einspruch aufgrund des Tatbestands des § 17 Nr. 2 lit. b) RuVO in Betracht: „Schwächung der eigenen Mannschaft durch ein während des Spiels eingetretenen Umstand, der unabwendbar war und nicht mit dem Spiel und einer dabei erlittenen Verletzung im Zusammenhang steht“.
Welche Rechtsfolge ergibt sich bei „Schwächung der eigenen Mannschaft“?
Für den hier wohl zu bejahenden Fall der „Schwächung der eigenen Mannschaft“ regelt § 17 RuVO zwar die Voraussetzungen eines Einspruchs, ordnet aber keine konkrete Rechtsfolge an. § 17 Nr. 5 RuVO sagt stattdessen lediglich in allgemeiner Form: „Wird auf Spielwiederholung erkannt, ist das Spiel grundsätzlich am gleichen Ort neu auszutragen.“ Auch wenn eine explizite Regelung fehlt, spricht die Systematik der Rechts- und Verfahrensordnung demnach dafür, dass die Rechtsfolge eines berechtigten Einspruchs in der Regel die Spielwiederholung und lediglich in den explizit geregelten Ausnahmefällen – dann allerdings zwingend - die 2:0-Wertung zugunsten der gegnerischen Mannschaft sein soll.
Bild von Alexander Fox | PlaNet Fox auf Pixabay (https://pixabay.com/de/photos/fu%C3%9Fball-ball-schiedsrichter-sport-6679087/)
Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters bei „Eingriff von außen“
Gemäß Regel 5 Nr. 3 der DFB-Fußball-Regeln 2024/2025 (https://assets.dfb.de/uploads/000/309/175/original_308598-Regelheft24-25.pdf?1725278229) obliegt es im Falle eines Eingriffs von außen dem Schiedsrichter, das Spiel zu unterbrechen, auszusetzen oder abzubrechen; dies gilt ausdrücklich, wenn „ein von einem Zuschauer geworfener Gegenstand einen Spieloffiziellen, einen Spieler oder einen Teamoffiziellen trifft“. In diesem Fall kann der Schiedsrichter „das Spiel je nach Schwere des Zwischenfalls weiterlaufen lassen, unterbrechen, aussetzen oder abbrechen“. Entscheidet der Schiedsrichter – wie hier der Unparteiische Martin Petersen – auf Spielfortsetzung, so handelt es sich um eine gemäß Regel 5 Nr. 2 endgültige Tatsachenentscheidung. In Übereinstimmung mit den DFB-Spielregeln sieht auch der „Leitfaden Spielabbruch“ des DFB (https://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/24351-9_Leitfaden_Spielabbruch.pdf) vor, dass der Schiedsrichter vor Ort zur Entscheidung über einen Spielabbruch befugt ist.
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für eine 2:0-Wertung vor?
Da Schiedsrichter Martin Petersen aus Stuttgart im konkreten Fall nach umfangreicher Prüfung und Abstimmung mit den Beteiligten auf einen Spielabbruch verzichtete und stattdessen entschied, das Spiel fortzusetzen, fehlt es an der nach § 18 Nr. 4 RuVO für eine 2:0-Wertung zugunsten der gegnerischen Mannschaft erforderlichen Tatbestandsvoraussetzung. Auch der in § 17 Nr. 4 S. 1 erster Halbsatz RuVO geregelte Fall der Mitwirkung eines nicht spiel- oder einsatzberechtigten Spielers liegt nicht vor. Das DFB-Sportgericht argumentierte unter anderem, der Schiedsrichter hätte angesichts der Umstände des Falles das Spiel abbrechen müssen. Das DFB-Bundesgericht wird im Berufungsverfahren unter anderem darüber zu entscheiden haben, ob ein Verbandsgericht befugt ist, im Nachhinein die vom Schiedsrichter vor Ort getroffene Ermessensentscheidung zu korrigieren, oder ob es sich dabei um eine grundsätzlich zu akzeptierende Tatsachenentscheidung handelt.
Zurückweisung des Einspruchs oder Spielwiederholung?
Geht man in Übereinstimmung mit DFB-Fußball-Regel 5 Nr. 3 und dem „Leitfaden Spielabbruch“ davon aus, dass der Schiedsrichter vor Ort zur Entscheidung in Form einer endgültigen Tatsachenentscheidung im Sinne der DFB-Fußball-Regel 5 Nr. 2 befugt ist, liegt als Rechtsfolge nahe, aufgrund einer Schwächung der Mannschaft des VfL Bochum durch den Feuerzeugwurf gemäß § 17 Nr. 2 lit. b) RuVO auf Spielwiederholung zu erkennen. Gemäß § 17 Nr. 5 RuVO ist das Spiel zwar grundsätzlich am gleichen Ort – mithin am Stadion an der Alten Fösterei – neu auszutragen; im Falle einer Spielwiederholung wird das Berufungsgericht darüber zu entscheiden haben, ob dies im konkreten Fall dem VfL Bochum und insbesondere seinen Torhüter zumutbar oder ob das Spiel ausnahmsweise an neutraler Stätte auszutragen ist.
Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Regelungen der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB und den daraus resultierenden Rechtsfolgen findet sich unter:
Vergleiche zur Spielwertung nach Spielabbruch wegen eines Feuerzeugwurfs auf den Schiedsrichter Martin Petersen im DFB-Pokalspiel zwischen dem VfL Osnabrück und RB Leipzig am 15. August 2015 im Stadion an der Bremer Brücke:
https://www.wueterich-breucker.de/blog/p/spielwertung-nach-spielabbruch