Haftung der Bank wegen Überschreiten der Kreditgeberrolle

eingestellt am 09.02.2022

Haftung der Bank bei Überschreiten der Kreditgeberrolle

Konkrete Kenntnis des Anlegers hierüber ist nötig

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BGH, Urteil vom 11.02.2022 – XI ZR 215/19 -

 

Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung zur Haftung einer Bank für die Fallgruppe des Überschreitens der Kreditgeberrolle mit Urteil vom 11.02.2022 – Aktenzeichen: XI ZR 215/19 – konkretisiert.

Trennungstheorie:

Beschränkt sich eine Bank bei der Finanzierung einer Kapitalanlage – ohne selbst darüber zu beraten – darauf, lediglich das Kapital für die Investition durch die Finanzierung dem Anleger zur Verfügung zu stellen, dann greift nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die sogenannte Trennungstheorie. Diese unterscheidet zwischen dem Investitionsrisiko und dem Finanzierungsrisiko. Die Bank hat bei dieser Fallgestaltung grundsätzlich nur über das Finanzierungsrisiko aufzuklären und den Anleger trifft das Investitionsrisiko. Die Bank ist daher grundsätzlich nicht verpflichtet, den Anleger über das Risiko der Investition, also die Anlage aufzuklären.

Eine Aufklärungspflicht auch über das Anlageobjekt schuldet die Bank nur in den nachfolgend genannten Ausnahmefällen:

 -       Überschreiten der Kreditgeberrolle

-       Schaffung eines besonderen Gefährdungstatbestandes

-       Schwerwiegender Interessenskonflikt

-       Konkreter Wissensvorsprung.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu diesen Ausnahmefallgruppen ist mannigfaltig und komplex. Sie entwickelt sich stets weiter.

Überschreiten der Kreditgeberrolle:

Eine Aufklärungspflicht wegen Überschreiten der Kreditgeberrolle setzt voraus, dass die Bank im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Anlageobjekts gleichsam als Partei des zu finanzierenden Geschäfts in nach außen erkennbarer Weise Funktionen oder Aufgaben des Veräußerers oder Vertreibers übernommen und damit einen zusätzlichen, auf die übernommenen Funktionen bezogenen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (so schon: BGH, Urteil vom 05.07.2016 – XI ZR 254/15 –).

Konkrete Kenntnis des Anlegers ist notwendig:

In seinem aktuellen Urteil vom 11.01.2022 – XI ZR 215/19 – hat der Bundesgerichtshof die Voraussetzung der Haftung einer Bank wegen Überschreitens der Kreditgeberrolle konkretisiert. Die konkrete Kenntnis des Anlegers hierüber ist erforderlich:

„Eine vorvertragliche Aufklärungspflicht wegen Überschreitens der Kreditgeberrolle setzt voraus, dass das die Kreditgeberrolle überschreitende Verhalten des Darlehensgebers nach außen in Erscheinung getreten ist …. Das bedingt, dass der sich auf die Aufklärungspflichtverletzung berufende Darlehensnehmer Kenntnis von dem betreffenden Verhalten hatte …. Das Bestehen von Aufklärungspflichten bei Überschreitung der Rolle als Kreditgeber findet seine Rechtfertigung darin, dass der Kreditgeber einen zusätzlichen, auf die übernommenen Funktionen bezogenen Vertrauenstatbestand gesetzt hat …. Ein solches Vertrauen kann aber nur derjenige bilden, der von diesem Vertrauenstatbestand Kenntnis hat“, so der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 11. Januar 2022 – XI ZR 215/19 –).

Fazit:

Das bloße Überschreiten der Kreditgeberrolle abstrakt reicht mithin nicht aus. Vielmehr muss auch der Einzelne Anleger hiervon konkrete Kenntnis gehabt haben.

Ob dies der Fall war muss im Einzelfall geprüft werden. Pauschalierungen können hier nicht vorgenommen werden.


Stuttgart, den 09.02.2022

Oliver Renner

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

 c/o Wüterich Breucker Rechtsanwälte Partnerschaft mbH

Charlottenstr. 22 - 24

70182 Stuttgart

Telefon: 0711/23992-0

Telefax: 0711/23992-29

Email: O.Renner@wueterich-breucker.de



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