Keine wirksame Verjährungshemmung durch Mahnbescheid oder Güteantrag in Anlegerfällen?

eingestellt am 25.06.2015

BGH, Urteile vom 18.06.2015 – III ZR 189/14, 191/14, 198/14 und 227/14

BGH, Urteil vom 23.06.2015 – XI ZR 536/14



Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung verjähren nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in zehn Jahren berechnet ab Zeichnung (absolute Verjährung) resp. in drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in denen der Anleger Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hatten (relative Verjährung).

Wenn Verjährung eingetreten ist, kann ein Anspruch auf erklärte Einrede hin nicht mehr mit Erfolg durchgesetzt werden.

Um dies zu verhindern, muss die Verjährung gehemmt werden. Um die Verjährung zu hemmen wurden oftmals Mahnbescheide beantragt oder Güteanträge bei Gütestellen gestellt.

Fraglich war, ob diese Anträge die Verjährung wirksam gehemmt haben.


Mahnbescheidsanträge

Nach § 688 Abs. 2 Nr. 2 Zivilprozessordnung ist ein Mahnverfahren nicht statthaft, wenn die mit dem Mahnbescheid geforderte Zahlung nur Zug um Zug zu erbringen ist. Dies ist im Zweifel bei Schadensersatzansprüchen von Anlegern der Fall, da diese eine Rückzahlung der investierten Gelder nur Zug um Zug gegen (Rück-)Übertragung der gezeichneten Anlege verlangen können.

Umstritten war bislang in der Rechtsprechung, ob bei falscher Angabe im Mahnbescheidsantrag die Verjährung wirksam gehemmt wird.

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr mit Urteil vom 23.06.2015 (Aktenzeichen: XI ZR 536/14) entschieden, dass sich ein Anleger durch Zustellung des Mahnbescheids nicht auf die Verjährungshemmung berufen kann, wenn im Mahnverfahren bewusst falsche Angaben gemacht worden sind. Dies stelle einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar (BGH, Pressemitteilung vom 23.06.2015 Nr. 102/2015).


Güteantrag

Um die Verjährung zu hemmen wurden in vielen Fällen auch Güteanträge bei Gütestellen gestellt.

Wenn eine Einigung vor der Gütestelle nicht zustande kommt müssen innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Scheitern weitere verjährungshemmende Maßnahmen eingeleitet werden, die in der Regel durch Klageerhebung erfolgt.

Wenn sodann eine Klage zugestellt wird muss geprüft werden, ob durch den Güteantrag die Verjährung überhaupt wirksam gehemmt wurde.

Umstritten war bislang, welche Anforderungen an den Inhalt eines Güteantrages zu stellen sind, damit dieser wirksam die Verjährung hemmt.

Das Oberlandesgericht München vertrat bspw. die Auffassung, dass zur ausreichenden Individualisierung des Streitgegenstandes neben der Darstellung des Lebenssachverhalts auch die bestimmte Bezeichnung der begehrten Rechtsfolge, was in der Regel auch eine Bezifferung des Anspruchs voraussetzt gehört (OLG München, Urteil vom 06.11.2013 – AZ: 20 U 2064/13 -). Dieser Meinung folgte auch das Oberlandesgericht Frankfurt (Urteil vom 16.07.2014 – Aktenzeichen: 19 U 2/14 –) sowie das Kammergericht Berlin (Urteil vom 08.01.2015 – AZ.: 8 U 141/13).

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr Klarheit mit seinen vier Urteilen vom 18.06.2015 geschaffen. Nach der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 18.06.2015 (Nr. 100/2015). müssen Güteanträge in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum angeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben umreißen; ferner ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner und der Gütestelle ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist. Der Güteantrag muss für den Gegner erkennen lassen, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll, damit er prüfen kann, ob eine Verteidigung erfolgversprechend ist und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Güteantrag an die Gütestelle als neutralen Schlichter und Vermittler gerichtet wird und diese zur Wahrnehmung ihrer Funktion ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert werden muss. Eine genaue Bezifferung der Forderung muss der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten.


Fazit


Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs haben eine ambivalente Wirkung: Der verklagte Berater sollte genau prüfen, ob der gegen ihn ergangene Mahnbescheid resp. der gestellte Güteantrag hinreichend individualisiert war und ob ggf. ein Rechtsmissbrauch wegen einer notwendigen Zug-um-Zug Leistung beim Mahnverfahren vorlag. Hier gilt es, gerade den Blick auf juristische Feinheiten zu legen.

Der klagende Anleger hingegen muss, falls seine Klage mangels wirksamer Verjährungshemmung abgewiesen wurde prüfen, ob er Regressansprüche gegen seine Anwälte hat.

Diese sind nämlich verpflichtet, dem Mandanten den sichersten Weg anzuraten. Einen Mahnbescheid resp. einen unzureichend individualisierten Güteantrag zur Verjährungshemmung zu beantragen war hierbei wohl nicht die sichere Alternative.


Stuttgart, den 26.06.2015

Oliver Renner

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

-    Lehrbeauftragter der Fachhochschule Schmalkalden für das weiterbildende Studium zum/r „Finanzfachwirt/in (FH)“
-    Lehrbeauftragter der Hochschule Pforzheim
-    Stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses "Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht" der Rechtsanwaltskammer Stuttgart
-    Geldwäschebeauftragter der Rechtsanwaltskammer Stuttgart

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