Kündigung von Bausparkassenvertrag enthält keine irreführenden Angaben

Veröffentlicht am 26.04.2018

Kündigung von Bausparkassenvertrag enthält keine irreführenden Angaben
Landgericht Aachen, Urteil vom 20.03.2018 – AZ.: 41 O 51/17 –

 

Das Landgericht Aachen hat mit Urteil vom 20. März 2018 – Aktenzeichen: 41 O 51/17 – entschieden, dass die Kündigung eines Bausparkassenvertrages durch die Bausparkasse in der Regel keine nachprüfbaren Behauptungen als irreführende Angaben i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) enthält. Sie enthält eine Rechtsansicht als Meinungsäußerung und ist einer inhaltlichen Überprüfung unter Hinzuziehung des § 5 UWG nicht zugänglich.

 

Der Fall:

Ende des Jahres 2016 wandte sich die beklagte Bausparkasse in einer Mehrzahl von Fällen an ihre Kunden, welche mit der Bausparkasse einen Bausparvertrag geschlossen hatten. Die Bausparkasse hatte den Wechsel des Altvertrages auf einen, von ihr zeitgemäß genannten Tarif E2 angeboten. Nachdem die Kunden auf dieses Schreiben nicht reagiert hatten, wandte sich die Bausparkasse mit weiterem Schreiben erneut an diese und bedauerte, dass das Angebot zu einem Tarifwechsel nicht angenommen wurde.

Sodann gab sie folgenden Hinweis: "Ein Bausparvertrag ist kein bankübliches Sparkonto, Zweck des Bausparens ist vielmehr zielgerichtetes Sparen, um für wohnungswirtschaftliche Verwendungen Darlehen zu erlangen. Nutzt nun ein Teil der Bausparer seinen Bausparvertrag aus Renditegesichtspunkten erkennbar nur zur Geldanlage, so wirkt sich dies äußerst negativ zu Lasten der anderen Bausparer aus. Die lang andauernde Niedrig- und mittlerweile Nullzinsphase, die zwischenzeitlich auch zu einer in der Vergangenheit für ausgeschlossen gehaltenen Negativverzinsung geführt hat, stellt für die Bausparkasse eine nicht vorhersehbare schwerwiegende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse dar. Die Bausparkasse kann die hohen Guthabenzinsen mit ihren nach dem Bausparkassengesetz eingeschränkten Investitionsmöglichkeiten auf den Kapitalmärkten nicht mehr erwirtschaften. Gleichzeitig nehmen die durch entsprechen Alttarife begünstigten Bausparer das Bauspardarlehen (zu dessen Erlangung der Bausparvertrag ursprünglich abgeschlossen wurde) zumeist nicht in Anspruch, wodurch der Bausparkasse auch die entsprechenden Darlehenszinseinnahmen fehlen. Dieses deutliche Ungleichgewicht von Aufwand und Ertrag kann die Bausparkasse, deren vordringliche Aufgabe die verantwortungsvolle Verwaltung und Steuerung des Bausparkollektivs ist, nicht hinnehmen. Es bedarf vielmehr nachhaltiger Korrekturmaßnahmen mit dem Ziel, eine Beschädigung unserer Bausparkasse und die damit verbundene Benachteiligung der gesamten Bausparergemeinschaft zu verhindern.“.

Im weiteren Verlauf des Schreibens wies die Bausparkasse darauf hin, dass der Kunde entweder den Tarifwechsel vornehmen oder sich seinen Bausparvertrag auszahlen lassen könne. Für den Fall, dass eine solche Maßnahme nicht bis zum genannten Termin getroffen werde, werde sie, die Bausparkasse, den Bausparvertrag kündigen.

Beides erfolgte nicht. Die Kündigung wurde sodann von der Bausparkasse erklärt. Im Kündigungsschreiben führt die Bausparkasse hierzu wie folgt aus: „Wir machen deutlich, dass ein Bausparvertrag kein bankübliches Sparkonto ist und nicht zur Geldanlage genutzt werden darf. Verhalten sich die Inhaber hoch verzinslicher, mit den aktuellen finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht mehr zu vereinbarender Bausparverträge nicht dementsprechend, so schädigt dies nicht nur die Bausparkasse, sondern auch die gesamte Bausparergemeinschaft. Um dies zu verhindern, haben wir auch Ihnen ein Angebot auf Vertragsanpassung zu aktuellen Marktverhältnissen unterbreitet. Da Sie dieses Vertragsanpassungsangebot nicht angenommen haben, sehen wir uns gezwungen, Ihren Bausparvertrag nach § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB aus wichtigem Grund bzw. nach § 313 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 BGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage zu kündigen.“.

Der Kläger hielt die Kündigung für unwirksam und wollte der Bausparkasse verbieten, dass diese irreführende Angaben macht, wenn diese behauptet, dass der Bausparvertrag lediglich aufgrund einer nach Vertragsschluss eingetretenen Niedrigphase des Leitzinses aus wichtigem Grund und/oder wegen Störung der Geschäftsgrundlage gekündigt werden könne.

 

Die Entscheidung

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Irreführende Angaben sind nachprüfbare Behauptungen, die sich bei einer Überprüfung als eindeutig richtig oder falsch erweisen können, über die man also eigentlich nicht streiten kann.

Es kommen also nur nachprüfbare Behauptungen als irreführende Angaben in Betracht.

Keinesfalls kann es einem Unternehmen daher verwehrt werden, im Rahmen der Rechtsdurchsetzung oder -verteidigung eine bestimmte Rechtsansicht zu vertreten. Eine bloße geäußerte Rechtsansicht ist als Meinungsäußerung einer inhaltlichen Überprüfung nicht zugänglich. Ob sie sich als richtig erweist oder nicht, kann nicht im Wettbewerbsprozess, sondern muss in dem Rechtsverhältnis geprüft und entschieden werden, auf dass sich diese Rechtsansicht bezieht.

Die Frage, ob eine Bausparkasse sogenannte Altbausparverträge, für die sie einen hohen Zins zahlen muss, in der jetzigen Zinssituation kündigen darf, ist äußerst umstritten, so dass von einem eindeutigen Richtig oder Unrichtig nicht ausgegangen werden kann. Hieraus folgt, dass eine irreführende Angabe im Kündigungsschreiben der Bausparkasse nicht vorliegt, so das Landgericht Aachen in seinem Urteil vom 20. März 2018 (Aktenzeichen: – 41 O 51/17 –).

 

Fazit:

Ob die Kündigung des Bausparvertrages durch die Bausparkasse wirksam oder unwirksam ist muss daher in jedem einzelnen Fall geprüft und geklärt werden.

Hierbei sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden:

 

Vollbesparung

Nach vollständiger Ansparung der Bausparsumme ist eine Kündigung des Bausparvertrages nach § 488 Abs. 3 BGB zulässig. Ziel des Bausparvertrages ist die Zurverfügungstellung der Bausparsumme, nicht jedoch eine verzinsliche Geldanlage darüber hinaus (OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2011 – Aktenzeichen: 9 U 151/11; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 02.10.2013 – Aktenzeichen: 19 U 106/13 [Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen: BGH, Beschluss vom 24.06.2014 – Aktenzeichen; XI ZR 384/13]; OLG Köln, Beschluss vom 23.03.2015 – Aktenzeichen: 13 U 104/14).

 

Umstritten ist, ob Bonuszinsen für die Beurteilung der Vollbesparung zu berücksichtigen sind. Dies ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Dem Bundesgerichtshof wurde die Entscheidung „entzogen“. Nach Auffassung des Oberlandesgericht Celle sind Bonuszinsen nicht zu berücksichtigen, da für deren Entstehen eine Erklärung des Bausparers (Verzicht oder Kündigung) notwendig ist (OLG Celle, Urteile vom 14.09.2016 – Aktenzeichen: 3 U 207/15; 3 U 230/15; 3 U 37/16; 3 U 38/16; 3 U 136/16; 3 U 154/15; 3 U 166/16 -; war anhängig beim BGH – Aktenzeichen: XI ZR 537/16; XI ZR 540/16 – aber wegen Vergleich/Rücknahme nicht entschieden; Termine für den 19.07.2017 abgesagt).

 

Zuteilungsreife

Bei Vorliegen der Zuteilungsreife darf nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Februar 2017 (Aktenzeichen: XI ZR 185/16 -) eine Bausparkasse im Regelfall einen Bausparvertrag gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) nach Ablauf von zehn Jahren nach Zuteilungsreife kündigen.

Etwas anderes gilt jedoch im Ausnahmefall, „wenn nach den vertraglichen Vereinbarungen der Bausparer z.B. im Falle eines (zeitlich begrenzten) Verzichts auf das zugeteilte Bauspardarlehen und nach Ablauf einer bestimmten Treuezeit einen (Zins-)Bonus erhält. In einem solchen Fall ist der Vertragszweck von den Vertragsparteien dahingehend modifiziert, dass er erst mit Erlangung des Bonus erreicht ist, so dass auch erst zu diesem Zeitpunkt ein vollständiger Empfang des Darlehens im Sinne des § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB aF anzunehmen ist“, so der Bundesgerichtshof.

Wann ein solcher Ausnahmefall gegeben ist, ist weiterhin umstritten. Es bedarf jedenfalls einer Modifikation des Vertragszwecks im Hinblick auf die vertragliche Verpflichtung des Bausparers zur Darlehensgewährung (BGH, Beschluss vom 25. Juli 2017 – Aktenzeichen: XI ZR 116/17 –). Ein Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn der Verzicht auf das Darlehen kein zeitlich begrenzter Verzicht für eine bestimmte Treuezeit, sondern ein dauerhafter Verzicht ist (so: LG Stuttgart, Urteil vom 27. September 2017 – Aktenzeichen: 4 S 40/17).

 

„Bloße“ Änderung des Zinsniveaus

Ob die „bloße“ Änderung des Zinsniveaus die Bausparkasse berechtigt, den Bausparvertrag zu kündigen ist ebenfalls abschließend noch nicht entschieden. Nach Auffassung des Amtsgerichts Aachen sind die Voraussetzungen nicht gegeben, jedenfalls wurden sie von der Bausparkasse nicht ausreichend vorgetragen:

Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung bzw. Kündigung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB und für ein außerordentlichen Kündigungsrecht der Beklagten nach § 314 BGB mangels Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung nicht vorliegen. Beide Loslösungsrechte setzen voraus, dass dem Kündigenden das Festhalten am (unveränderten) Vertrag unzumutbar ist. Dies ist der Fall, wenn die Kündigung des Vertrags zur Vermeidung untragbarer Folgen erforderlich ist …. So könnte die Zumutbarkeitsgrenze überschritten sein, wenn die mit dem Festhalten an den unveränderten Bausparverträgen wirtschaftlichen Belastungen für die Beklagte existenzgefährdend sind …...“, so das Amtsgericht Aachen in seinem Urteil vom 26.05.2017 (Aktenzeichen: 115 C 38/17).

Die Bausparkasse hatte jedoch in dem entschiedenen Fall keine Umstände vorgetragen, die eine entsprechende Unzumutbarkeit hätten begründen können. Vielmehr hat sie „nur“ allgemein auf die negativen Folgen, die sich für das Bausparkollektiv ergeben, wenn die Bausparer weiterhin den Bausparvertrag als Ewigsparanlage zweckentfremden und die aktuell herrschende Niedrigzinsphase weiter anhält, hingewiesen. Die Bausparkasse hatte jedoch dargelegt, warum das Festhalten am Vertrag speziell für sie unzumutbar oder existenzgefährdend sei.

Da es sich bei den in §§ 313 und 314 BGB normierten Kündigungsrechten um eine nur unter engen Voraussetzungen anwendbare Einschränkung des das Zivilrecht beherrschenden Grundsatzes der Vertragstreue handelt, reicht daher ein Verweis auf die allgemeine Negativfolgen nicht aus, um eine Unzumutbarkeit im Einzelfall zu begründen.

Dies ist richtig. Zinsschwankungen werden in beide Richtungen bei Vertragsschluss von beiden Parteien eingepreist und sind Bestandteil des Geschäftsrisikos. Dieses Risiko sind beide Parteien, also sowohl die Bausparkasse als auch der Bausparkunde eingegangen.

 

Stuttgart, den 27.04.2018

 

Oliver Renner

 

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

 

-       Lehrbeauftragter der Fachhochschule Schmalkalden für das weiterbildende Studium zum/r „Finanzfachwirt/in (FH)“

-       Lehrbeauftragter der Hochschule Pforzheim

-       Stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses "Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht" der Rechtsanwaltskammer Stuttgart

-       Geldwäschebeauftragter der Rechtsanwaltskammer Stuttgart

-       Schiedsgutachter nach § 18 ARB

 

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