Nicht jeder Prospektfehler ist ein Kapitalanlagebetrug

eingestellt am 14.03.2022

Nicht jeder Prospektfehler ist ein Kapitalanlagebetrug

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BGH, Urteil vom 03.02.2022 – III ZR 84/21 -

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Leitsatzurteil vom 03.02.2022 wie folgt entschieden:

„Die unrichtige Darstellung eines wertbildenden Umstands in einem Prospekt wird vom Tatbestand des Kapitalanlagebetrugs nur erfasst, wenn sie geeignet ist, einen verständigen, durchschnittlich vorsichtigen Kapitalanleger bei seiner Anlageentscheidung zu beeinflussen“.

Gemäß § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, in Prospekten oder in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erheblichen Umstände gegenüber einem größeren Kreis von Personen unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Angaben verschweigt. Gemäß § 264a Abs. 2 StGB gilt Abs. 1 entsprechend, wenn sich die Tat auf Anteile an einem Vermögen bezieht, das ein Unternehmen im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung verwaltet, wie es in der vorliegenden Konstellation der Fall ist.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem aktuellen Urteil das Tatbestandsmerkmal des „erheblichen Umstands“ im Sinne von § 264 a StGB konkretisiert. Danach sind „erhebliche Umstände“ nur solche, die für einen durchschnittlichen Anleger von Bedeutung sein können. Eine objektive Betrachtungsweise ist hierbei anzulegen. Maßgeblich ist der verständige, durchschnittlich vorsichtigen Kapitalanleger, in dessen Rolle sich der Herausgeber des Prospekts zu versetzen hat.

Allein der Umstand, dass die beim Vertrieb im Falle von Stornierungen verbleibenden Provisionen höher als prospektiert sind und damit die Einnahmen des Fonds in der Modellrechnung falsch dargestellt werden stellt für sich genommen keinen erheblichen Prospektfehler im Sinne von § 264 a StGB dar.

Selbst wenn die Angabe unrichtig ist, erfüllt dies nach Auffassung des Bundesgerichtshofs den Tatbestand des Kapitalanlagebetrugs nur dann, wenn sie nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze für die Anlageentscheidung von Bedeutung sind, mithin geeignet sind, ein Kapitalanleger bei seiner Anlageentscheidung zu beeinflussen.

Vorliegend war es so, dass die falschen Angaben bezüglich der Provisionen nur geringfügig unrichtig waren. Bei der Gesamtemissionen i.H.v. 1.195,94 Mio. € lag lediglich eine Abweichung i.H.v. 0,117 % vor. Mit solchen geringfügigen Abweichungen respektive Unrichtigkeiten musste sich der Bundesgerichtshof bislang nicht befassen.

Daher hat der Bundesgerichtshof die oben genannten Konkretisierungen vorgenommen und den Rechtsstreit wieder an die Tatsacheninstanz zurückgewiesen. Hierbei wies der Bundesgerichtshof zusätzlich darauf hin, dass bei Feststellung eines Kapitalanlagebetruges auch im Rahmen einer deliktischen Haftung - wie bei der quasi vertraglichen Prospekthaftung - die Grundsätze der Vermutung des aufklärungspflichtigen Verhaltens greifen.

 

Stuttgart, den 14.03.2022

 

Oliver Renner

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

 

c/o Wüterich Breucker Rechtsanwälte Partnerschaft mbH

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