Prozess über medizinische Notwendigkeit der Protonentherapie bei Prostatakarzinom

eingestellt am 07.02.2013

Prozess über medizinische Notwendigkeit der Protonentherapie

bei Prostatakarzinom gegen private Krankenversicherung steht an


I.


Die Protonentherapie bei Prostatakarzinom ist ein brandneues Behandlungsverfahren, das sehr gute Ergebnisse erzielt. Nach dem Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei Protonentherapie des Prostatakarzinoms vom 19.06.2008 (Bundesanzeiger 2008, 3571), erstattet die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten der entsprechenden Behandlungsmaßnahmen.


II.

Private Krankenversicherungen (PKV) stellen sich demgegenüber auf den Standpunkt, die medizinische Notwendigkeit der Behandlung sei nicht gegeben. Die Behandlung entspreche nicht den Leitlinien für die Behandlung des Prostatakarzinoms.

Diese Argumentation der PKV kehrt bei verschiedenen Krankheitsbildern wieder, ist aber bereits in den gedanklichen Grundlagen verfehlt:

Eine Behandlung ist dann medizinisch notwendig im Sinne der Bedingungen des Krankenversicherungsvertrages (MP/KK), wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung zu vertreten ist, sie als notwendig anzusehen. Alle innerhalb des aus ärztlicher Sicht vertretbaren liegenden Behandlungsmethoden und Behandlungsschritte sind vom Krankenversicherungsvertrag gedeckt.

Der Hinweis auf die Leitlinien geht fehlt. Das zeigt bereits die Behandlung durch die gesetzlichen Krankenkassen. Unabhängig davon haben die Leitlinien weder normativen noch „quasi-normativen“ Charakter. Tatsächlich können die Leitlinien nämlich nur den Stand der Erkenntnisse zum Zeitpunkt ihres Erlasses dokumentieren. Den Leitlinien kommt daher ein „statisches rückwärtsgewandtes Element“ (Taupitz) zu. Die Leitlinien dienen nicht dazu, den Versicherungsnehmer vom sich entwickelnden Stand von Wissenschaft und Technik abzukoppeln.



Kommentare

Im März 2014 wurden erstmals 5 Jahres Langzeitergebnisse der Protonenbestrahlung bei Prostatakrebs in einem hochrangigen amerikanischen Wissenschaftsmagazin publiziert. Insgesamt wurden in 3 hier zusammengefassten Studien 211 nicht metastasierte Prostatakrebs – Patienten mit Protonen behandelt und über einen Zeitraum von durchschnittlich über 5 Jahren (5,2 Jahre) nachbeobachtet. Ziel der Beobachtung war es die Wirkung der Therapie auf Tumorkontrolle und Überleben, wie auch die Verträglichkeit zu untersuchen. Hierbei zeigte die Studie exzellente Ergebnisse. Um eine genaue Beurteilung zu ermöglichen, wurden die Patienten entsprechend der internationalen Prostatakrebs – Leitlinien je nach Schwere der Erkrankung in 3 Risiko-Gruppen unterteilt. So erhielten Patienten mit Hoch-Risiko Prostatakrebs entsprechend dem damaligen Wissensstand noch zusätzliche Behandlungen mit Hormon- und Chemotherapie. Nach 5 Jahren Nachbeobachtung konnten folgende Ergebnisse ermittelt werden: 1. Tumorkontroll -Rate nach 5 Jahren: Prostatakarzinom mit niedrigem Risiko: 99% Prostatakarzinom mit mittlerem Risiko: 99% Prostatakarzinom mit hohem Risiko: 76% 2. Rate an schweren Nebenwirkungen gemäß internationaler Einteilungsrichtlinie CTCAE Version 3.0 (bzw. aktueller Version 4.0) Schwere Nebenwirkungen am Darm (z.B Blutung des Enddarmes): 1% (0,5%) Schwere Nebenwirkungen am Harntrakt (z.B Inkontinenz): 5,4% (1%) Insgesamt konnte dadurch erstmals im Langzeitverlauf die Effizienz dieser neuen Behandlungsmethode bei nicht metastasiertem Prostatakrebs untersucht werden. Nach Einschätzung der Authoren, die ich persönlich auch teile, handelt es sich um eine äußerst effektive Therapie. Je nach Strenge der Bewertungskriterien kann man sagen, dass 93,6 bis 98,5% der Patienten die Behandlung gut vertragen haben. Zusätzlich konnte in den ersten 5 Jahren bei bis zu 99% der Patienten kein PSA -Anstieg verzeichnet werden. Selbst bei Patienten mit sehr aggressivem und fortgeschrittenem Prostatakrebs hatten immerhin ca. 3/4 der Behandelten einen lang dauernden Vorteil durch die Kombination aus Protonenbestrahlung und Hormon-/Chemotherapie. Da man heute aber weiß, dass die Ansprechrate auf die Chemotherapie bei Prostatakrebs eher gering ist, bleibt die Hoffnung mit neu zugelassenen Substanzen (u.a. z.B. Arbirateronacetat) in Zukunft noch bessere Ergebnisse erzielen zu können.

Dr. David Kuczer , eingestellt am 02.06.2014