Setzungsschäden an Gebäuden durch Bäume?

eingestellt am 19.04.2022

Insbesondere auf tonigem Baugrund führt die Trockenheit der letzten Jahre vermehrt zu Schäden an Gebäuden durch Setzungen. Häufig machen die betroffenen Eigentümer für solche Schäden Pflanzen auf benachbarten Grundstücken verantwortlich und erheben Schadensersatz- und/oder Entschädigungsklagen gegen ihre Nachbarn.

I. Die durstige Atlaszeder

Landgericht und Oberlandesgericht Stuttgart hatten jüngst über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Eigentümer – der Kläger - von seiner Nachbarin – der Beklagten - eine Entschädigung von 140.000,00 € für Setzungsschäden beanspruchte, die nach seiner (durch Sachverständigengutachten bestätigten) Auffassung durch den von einer Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts gepflanzten Atlaszeder ausgehenden Entzug von Feuchtigkeit und der daraus resultierenden Schrumpfung eines tonigen Baugrundes verursacht worden waren.

1. Landgericht Stuttgart

Das Landgericht Stuttgart hat die Ansprüche für gegeben gehalten und der Klage stattgegeben. Zwar ergebe sich dieser Anspruch nicht aus § 823 BGB, da der Beklagten ein entsprechender Verschuldensvorwurf nicht gemacht werden könne. Die Beklagte habe nicht voraussehen können, dass der Baum den Grund und Boden so austrocknen könne, dass das Nachbar Gebäudeschaden nehme.

Der Anspruch folgt nach Auffassung des Landgerichts aber aus einer analogen Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch komme auch für andere als durch Immissionen herbeigeführte Beeinträchtigungen in Betracht und erfasse alle von einem Grundstück auf ein benachbartes Grundstück ausgehenden Einwirkungen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen.

Das Landgericht meint, solche Einwirkungen seien

…. vorliegend in Gestalt der Senkungserscheinungen und Rissbildungen am Haus der Kläger durch eine Bodenschrumpfung infolge der Bepflanzung des Grundstücks der Beklagten mit der Atlaszeder sowie der Koniferenhecke und der damit verbundenen Austrocknung (auch) des Grundstücks der Kläger gegeben.

Für die Ursächlichkeit der Bepflanzung des Grundstücks der Beklagten für die Senkungserscheinungen und Rissbildungen am Haus des Klägers beruft sich das Gericht auf das von ihm eingeholte Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen, der die entsprechende Kausalität überzeugend dargelegt habe. Der Sachverständige habe festgestellt

…. dass um die Atlaszeder ……. Eine Bodenaustrocknung stattgefunden habe, die zu einer Bodenschrumpfung und lastenunabhängigen Setzung geführt habe. Diese Bodenschrumpfung sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit allein auf die Atlaszeder ……  und damit verbundene Bodenaustrocknung zurückzuführen

der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch komme dabei in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB auch für andere als durch Immissionen herbeigeführte Beeinträchtigungen in Betracht. Er erfasse alle von einem Grundstück auf ein benachbartes Grundstück ausgehenden Einwirkungen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden.

Rechtsfolge sei, dass der Kläger die fiktiven Kosten der Beseitigung der Setzungsschäden einschließlich einer teilweisen Gebäudeanhebung durch Expansions-Injektion von der Beklagten verlangen könne.

2. OLG Stuttgart

In der Berufung trat er 10. Senat des Oberlandesgerichts Stuttgart der vom Landgericht vertretenen Auffassung entgegen.

Der Senat schloss sich der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an, der im Falle von „negativen Immissionen“ die Norm aufgrund des Wortlauts und der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers des BGB gerade nicht analog anwendet, sondern den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 nur in den Fällen von tatsächlichen Einwirkungen auf ein anderes Grundstück zur Anwendung bringt, nicht aber, wenn dem benachbarten Grundstück Immissionen vorenthalten werden (Urt. v. 21.10.1983, V ZR 166/82 – Funkwellen; Urt. v. 11.07.2003, V ZR 199/02 – Wintergarten).

Das Gesetz weist die für eine Analogie des § 906 BGB erforderliche Lücke nicht auf. Das ergibt sich insbesondere aus § 909 BGB. Der Gesetzgeber hat in § 909 BGB geregelt, in welchen Fällen ein Grundstückseigentümer für den Stützverlust eines benachbarten Grundstücks verantwortlich ist, nämlich soweit der Stützverlust Folge einer Vertiefung im Sinne dieser Norm ist. Diese Regelung findet nach ständiger Rechtsprechung auch Anwendung, wenn durch die von § 909 BGB erfassten Maßnahmen eines Grundstückseigentümers die Wassersituation auf dem benachbarten Grundstück nachteilig verändert wird. § 909 BGB greift aber nur ein, wenn eine Vertiefung im Sinne des § 909 BGB vorliegt. Das ist bei Entzug von Feuchtigkeit durch einen Baum nicht der Fall. Eine analoge Anwendung des § 909 BGB außerhalb des Anwendungsbereiches von Vertiefungen kommt nicht in Betracht. In § 910 BGB ist

Eine Anwendung der aus dem Gebot von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB abgeleiteten Grundsätze des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses lehnt der Bundesgerichtshof ebenfalls ab, weil durch diese gewohnheitsrechtliche Richterrecht die gesetzlichen Regelungen des Nachbarrechts nicht in ihr Gegenteil verkehrt werden dürften. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten benachbarter Grundstückseigentümer ergeben sich grundsätzlich aus den gesetzlichen Bestimmungen des Nachbarrechts. Sie haben dort eine ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Deshalb hat § 242 BGB für das nachbarliche Zusammenleben hauptsächlich einschränkende und ausgleichende Bedeutung. Der dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis zugrundeliegende Gedanke von Treu und Glauben begründet in der Regel keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt sich hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus. Seine Anwendung beschränkt sich auf Ausnahmefälle, deren Besonderheit einen über die gesetzliche Regelung hinausgehenden billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheinen läßt.

Die Rechtsprechung korrigiert das vom Gesetzgeber geregelte Ergebnis nur in Fällen grober Unbilligkeit etwa wenn die beeinträchtigende Partei grob rücksichtslos vorgeht, es ihr mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen möglich gewesen sei, die negativen Immissionen zu verhindern oder zu beschränken und ein Ausgleich der konfligierenden Interessen der Parteien auf der Hand lag. Einen solchen Fall vermochte der Senat im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.

 

II. Bedeutung

Setzungsschäden an Gebäuden werden aufgrund der durch den Klimawandel verursachten Trockenheit der letzten Jahre immer häufiger.

Die häufig zu beobachtende Argumentation, die Bepflanzung des Nachbargrundstücks sei ursächlich für die Austrocknung des eigenen Grund und Bodens und damit auch für etwaige Setzungsschäden, ist aber sowohl in tatsächlicher (Weltecke, Setzungsschäden an Gebäuden durch Bäume, in: Dujesiefken, D. (Hrsg.) Jahrbuch der Baumpflege 2022) als auch in rechtlicher Hinsicht jeweils gründlich zu hinterfragen.



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