Spezialgesetzliche Prospekthaftung verdrängt bürgerlich rechtliche Prospekthaftung

eingestellt am 01.08.2022

Spezialgesetzliche Prospekthaftung verdrängt

bürgerlich rechtliche Prospekthaftung

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Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 22. Juni 2022

– 1 Kap 1/17–

 

In einem Musterverfahren hat das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen erneut bestätigt und konkretisiert, dass der Grundsatz, dass im Anwendungsbereich einer spezialgesetzlichen Prospekthaftung ein Rückgriff auf eine bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung ausgeschlossen ist. Dies gilt auch gegenüber einer Haftung eines Treuhandkommanditisten wegen einer Verletzung seiner Aufklärungspflichten bezüglich der Beteiligung gegenüber den treuhänderisch beteiligten Anlegern, soweit zur Erfüllung dieser Pflichten der Prospekt verwendet wurde ((Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 22. Juni 2022 – 1 Kap 1/17 –).

Eine Haftung der Musterbeklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinne war wegen des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung ausgeschlossen; dies führte bei einem auf die Feststellung des Bestehens einer Prospekthaftung im weiteren Sinne gerichteten Feststellungsziel eines Musterverfahrens dazu, dass dieses Feststellungsziel als unbegründet zurückzuweisen war. Das Hanseatische OLG Bremen stützte sich hierbei auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs- (siehe BGH, Beschluss vom 12.10.2021 – XI ZB 26/19; Beschluss vom 11.01.2022 – XI ZB 11/20 -).

Die Musterbeklagte unterlag in Bezug auf den Prospekt für die Beteiligungsgesellschaft einer gesetzlichen Prospekthaftung nach § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG in der Fassung vom 21.06.2002, die vom 01.07.2002 bis zum 31.10.2007 galt.

Die Beteiligungsgesellschaft in der Form eines geschlossenen Fonds in der Rechtsform der GmbH & Co. KG war nach § 8f Abs. 1 S. 1 VerkProspG in der Fassung vom 22.06.2005, die vom 01.07.2005 bis zum 17.08.2016 galt, prospektpflichtig. § 8f Abs. 1 S. 1 Var. 3 VerkProspG a.F. begründete eine Prospektpflicht für Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds und galt damit auch für Anteile an der vorliegenden Beteiligungsgesellschaft. Damit fand die Regelung des § 13 Abs. 1 VerkProspG in der Fassung vom 16.08.2005 Anwendung, die vom 01.11.2005 bis zum 30.12.2006 galt, und welche wiederum auf die Haftungsregelungen der §§ 44 bis 47 BörsG a.F. verwiesen hat. Es galt damit in Bezug auf die Beteiligungsgesellschaft eine gesetzliche Prospekthaftung der Prospektverantwortlichen (§ 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BörsG a.F.) sowie derjenigen Personen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht (§ 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG a.F.).

Bei der Musterbeklagten handelte es sich im Sinne des § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG a.F. um eine Person, von der der Erlass des Prospekts ausging.

Zur Anwendung der Vorschrift des § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG a.F. hat der Bundesgerichtshof wie folgt ausgeführt (siehe BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18 -): „Damit sollen die Personen und Unternehmen getroffen werden, von denen die wirtschaftliche Initiative ausgeht und die hinter dem Prospekt stehen und seine eigentlichen Urheber sind (vgl. Senatsurteil vom 18. September 2012 - XI ZR 344/11, BGHZ 195, 1 Rn. 35 ff.; BGH, Urteile vom 6. Oktober 1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 340 ff., vom 22. März 1982 - II ZR 114/81, BGHZ 83, 222, 223 f., vom 5. Juli 1993 - II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, 109 f. und vom 2. Juni 2008 - II ZR 210/06, BGHZ 177, 25 Rn. 12).

Veranlasser ist, wer hinter dem Emittenten steht und neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss ausübt. Durch die Regelung soll eine Lücke bei den Haftungsverpflichteten geschlossen werden; insbesondere sollen auch Konzernmuttergesellschaften in die Haftung einbezogen werden (Senatsurteil vom 18. September 2012, aaO, Rn. 36). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF ist von einer Prospektverantwortlichkeit eines Hintermannes unter anderem dann auszugehen, wenn dieser auf die Konzeption des konkreten, mit dem Prospekt beworbenen und vertriebenen Modells maßgeblich Einfluss genommen hat und damit letztendlich auch für die Herausgabe des Prospektes verantwortlich ist. Dabei können die gesellschaftsrechtliche Funktion des Hintermannes sowie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse für eine Einflussnahme auf die Konzeption des Modells sprechen. Nicht entscheidend ist, ob eine Mitwirkung unmittelbar bei der Gestaltung des Prospektes gegeben ist; ausschlaggebend dagegen ist, ob der Prospekt mit Kenntnis des Verantwortlichen in den Verkehr gebracht worden ist (Senatsurteil vom 18. September 2012, aaO, Rn. 37).“

Nach den vorstehenden Grundsätzen war für die Musterbeklagte eine Stellung als hinter dem Prospekt stehende Person und damit eine Erfassung vom Anwendungsbereich der Haftung nach § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG a.F. zu bejahen.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass gerade die Stellung als Gründungsgesellschafterin der Beteiligungsgesellschaft, eine Beteiligung an deren Geschäftsführung, gegebenenfalls vermittelt durch eine erhebliche gesellschafterliche Beteiligung an der Komplementärin der Beteiligungsgesellschaft, eine Verflechtung auch in der Form einer Schwestergesellschaft mit der prospektverantwortlichen Gesellschafterin und zudem auch die Stellung als Treuhandkommanditistin der Beteiligungsgesellschaft Umstände sind, die eine solche Veranlasserstellung nach § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG a.F. begründen (siehe BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18, juris Rn. 25, BGHZ 228, 237; Beschluss vom 12.10.2021 – XI ZB 26/19, juris Rn. 24, WM 2021, 2386), wobei der Bundesgerichtshof ausdrücklich ausgeführt hat, dass insoweit die Stellung als Gründungsgesellschafter, auch als Kommanditist, bereits ausreicht (siehe BGH, Beschluss vom 12.10.2021 – XI ZB 26/19, juris Rn. 24, WM 2021, 2386; Beschluss vom 15.03.2022 – XI ZB 31/20, juris Rn. 23, WM 2022, 921; Beschluss vom 26.04.2022 – XI ZB 27/20, juris Rn. 20, WM 2022, 1169).

Vorliegend war die Beklagte nicht nur Gründungsgesellschafterin und Treuhandkommanditistin der Beteiligungsgesellschaft, sondern sie war nach den Prospektangaben auch als Schwestergesellschaft gesellschafterlich verflochten mit der F. GmbH, die das Beteiligungskonzept entwickelt hatte, der G. GmbH als der mit dem Vertrieb der Anlage betrauten Anbieterin und der H. GmbH als der persönlich haftenden Gesellschafterin der Fondsgesellschaft. Damit war, auch ohne dass es auf eine Mitwirkung der Musterbeklagten gerade bei der Gestaltung des Prospektes ankäme, wegen ihrer gesellschaftsrechtlichen Einbindung und zusätzlich ihrer Funktion in der Umsetzung dieses Fondskonzepts als Treuhandkommanditistin, woran sie ein wirtschaftliches Eigeninteresse jedenfalls aufgrund der nach dem Prospekt vorgesehenen Vergütungen nach dem Treuhandvertrag hatte, eine Stellung der Musterbeklagten als hinter dem Prospekt stehende Person zu bejahen.

Da die Musterbeklagte nach den vorstehenden Ausführungen den Regelungen einer gesetzlichen Prospekthaftung nach § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG a.F. unterfiel, war eine Haftung der Musterbeklagten nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinn nicht gegeben und das Feststellungsziel zu Ziff. 2 damit unbegründet.

Im Anwendungsbereich einer spezialgesetzlich geregelten Prospekthaftung ist nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Haftung der Gründungsgesellschafter für etwaige Prospektfehler nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinn auf der Grundlage der Regelungen zur Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB) grundsätzlich ausgeschlossen (siehe BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18, juris Rn. 26, BGHZ 228, 237; Beschluss vom 27.04.2021 – XI ZB 35/18, juris Rn. 4, AG 2021, 707; Beschluss vom 08.06.2021 – XI ZB 22/19, juris Rn. 31, WM 2021, 1479; Beschluss vom 21.09.2021 – XI ZB 9/20, juris Rn. 31, Beschluss vom 12.10.2021 – XI ZB 26/19, juris Rn. 21, WM 2021, 2386; Beschluss vom 11.01.2022 – XI ZB 11/20, juris Rn. 18; Beschluss vom 22.02.2022 – XI ZB 32/20, juris Rn. 16, WM 2022, 714; Beschluss vom 15.03.2022 – XI ZB 31/20, juris Rn. 18, WM 2022, 921; Beschluss vom 26.04.2022 – XI ZB 27/20, juris Rn. 17, WM 2022, 1169; siehe so auch bereits BGH, Beschluss vom 23.10.2018 – XI ZB 3/16, juris Rn. 55, BGHZ 220, 100).

Der Bundesgerichtshof hat dies damit begründet, dass, wenn diese allgemeinen Haftungsgrundsätze neben den Regelungen der spezialgesetzlich geregelten Prospekthaftung ohne jede Einschränkung zur Anwendung kämen, die gesetzgeberische Entscheidung vollständig leerliefe, dem Gründungsgesellschafter als Veranlasser im Sinne des § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG a.F. die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit dem Nachweis einfach fahrlässiger Unkenntnis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts zu entlasten (§ 45 Abs. 1 BörsG a.F.), und seine Haftung einer besonderen kurzen Verjährungsfrist zu unterwerfen (§ 46 BörsG a.F.) (siehe BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18, juris Rn. 26, BGHZ 228, 237). Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat an diesen Grundsätzen – dies auch gegenüber einer an dieser Rechtsprechung geäußerten Kritik – auch in seiner jüngsten Rechtsprechung ausdrücklich festgehalten (siehe zuletzt BGH, Beschluss vom 15.03.2022 – XI ZB 31/20, juris Rn. 18 ff., WM 2022, 921; Beschluss vom 26.04.2022 – XI ZB 27/20, juris Rn. 22 ff., WM 2022, 1169) und auch der entscheidende Senat hatte sich dieser Auffassung bereits unlängst angeschlossen (siehe Hanseatisches OLG in Bremen, Urteil vom 24.11.2021 – 1 U 6/21, juris Rn. 40, AG 2022, 80).

Für die Ausschlusswirkung der spezialgesetzlich geregelten Prospekthaftung gegenüber der Prospekthaftung im weiteren Sinn kommt es nicht darauf an, ob im betreffenden Fall eine Haftung nach den Vorschriften der spezialgesetzlichen Prospekthaftung trotz Eröffnung ihres persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs ausgeschlossen oder insbesondere wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar ist.

Für den Fall der mangelnden Durchsetzbarkeit wegen Verjährung nach der kurzen Verjährungsfrist des § 46 BörsG a.F. und der Entlastung des Haftungsschuldners durch den Nachweis einfach fahrlässiger Unkenntnis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts nach § 45 Abs. 1 BörsG a.F. ist dies ausdrücklich der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu entnehmen, wonach die Annahme der Ausschlusswirkung der spezialgesetzlich geregelten Prospekthaftung gegenüber der Prospekthaftung im weiteren Sinn gerade damit begründet wird, dass diese gesetzlichen Sonderregelungen nicht durch die Anwendung der allgemeinen Haftungsgrundsätze im Rahmen der Prospekthaftung im weiteren Sinne unterlaufen werden sollen (siehe BGH, a.a.O.).

Dieselbe Erwägung gilt auch für die Beschränkung der spezialgesetzlichen Prospekthaftung durch die Regelung des § 44 Abs. 1 S. 1 a.E. BörsG a.F. i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG a.F, wonach diese Haftung nur für solche Erwerbsgeschäfte zur Anwendung kommt, die innerhalb von sechs Monaten nach dem Datum des erstmaligen öffentlichen Angebots im Inland der betreffenden prospektpflichtigen Anlage abgeschlossen wurden: Auch hier handelt es sich um eine gesetzliche Sonderregelung zur spezialgesetzlichen Prospekthaftung, die nicht durch die Anwendung der allgemeinen Haftungsgrundsätze im Rahmen der Prospekthaftung im weiteren Sinne zu unterlaufen ist. Zudem würde es auch in der Sache keineswegs überzeugen, wenn im Ergebnis ein prospektverantwortlicher oder sonst prospektveranlassender Gründungsgesellschafter einer strengeren Haftung unterliegen sollte, wenn ein Anleger die Anlage nach Ablauf von sechs Monaten nach deren erstmaligem öffentlichen Angebot erwirbt statt innerhalb dieses Zeitraums.

Der Ausschlusswirkung des hier eröffneten Anwendungsbereichs der gesetzlichen Prospekthaftung steht entgegen der Auffassung des Musterklägers (gestützt auf die Erwägungen im Musterbescheid des Hanseatischen OLG Hamburg, Beschluss vom 03.05.2022 – 2 Kap 1/21) nicht entgegen, dass die Musterbeklagte nicht nur Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft war, sondern auch als Treuhandkommanditistin agierte.

Ein Treuhandkommanditist unterliegt gegenüber den treuhänderisch beteiligten Anlegern aus dem Treuhandvertrag einer Verpflichtung zur Aufklärung über die Risiken der Beteiligung. Der Bundesgerichtshof hat aber in mehreren Entscheidungen in der Stellung des betroffenen Gesellschafters als Treuhandkommanditist einen dieser Ausschlusswirkung der gesetzlichen Prospekthaftung entgegenstehenden Umstand nicht erkannt (siehe BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18, juris Rn. 25 ff., BGHZ 228, 237; Beschluss vom 12.10.2021 – XI ZB 26/19, juris Rn. 24 f., WM 2021, 2386; Beschluss vom 22.02.2022 – XI ZB 32/20, juris Rn. 2 und 19, WM 2022, 714; ebenso Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil vom 23.12.2021 – 15 U 240/20 n.v.) und die tragenden Gründe für die Annahme einer solchen Ausschlusswirkung gelten auch in dieser Konstellation, in der die Aufklärungspflichten des Treuhänders und deren Erfüllung durch Verwendung des Prospekts sich in der Sache nicht von denjenigen eines sonstigen Gründungsgesellschafters unterscheiden.

(Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 22. Juni 2022 – 1 Kap 1/17 –, Rn. 42 - 51, juris)

Wie die oben genannte Rechtsprechung zeigt, ist die Thematik äußerst komplex. Oftmals sind es Kleinigkeiten im Sachverhalt, die das Zünglein an der Waage ausmachen.

 

Stuttgart, den 01.08.2022

Oliver Renner

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

c/o Wüterich Breucker Rechtsanwälte Partnerschaft mbH

Charlottenstr. 22 - 24

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