Totalverlustrisiko und Aufklärungspflicht

Veröffentlicht am 02.07.2012

Totalverlustrisiko und Aufklärungspflicht

Pressemitteilung

Totalverlustrisiko und Aufklärungspflicht


Der Begriff des Totalverlustrisikos ist gesetzlich nicht definiert.


Hieraus folgt, dass in Bezug auf dessen Benennung im Prospekt sowie als Gegenstand der Aufklärungspflicht des Beraters eine Unsicherheit besteht. Wann kann ein Totalverlustrisiko bestehen, ist ein solches nur theoretisch und wann sowie in mit welchem Inhalt muss hierüber aufgeklärt werden. Fragen, die bislang einheitlich noch nicht beantwortet sind, sondern allenfalls eine gewisse Konkretisierung in der Rechtsprechung erfahren haben.

Hierbei ist festzuhalten, dass der Bundesgerichtshof zum einen nach der Art der Geldanlage und zum anderen nach der Risikobereitschaft des Anlegers unterscheidet. Nach der vielbesprochenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs bzgl. der Haftung einer Bank wegen Vermittlung von Lehman Brothers Basket - Zertifikaten reicht ein Hinweis auf das allgemein bestehende Emittentenrisiko aus. Auf ein Insolvenzrisiko muss nicht hingewiesen werden, wenn dieses nur theoretischer Natur ist und zum Zeitpunkt der Anlegeempfehlung eine konkreten Umstände vorliegen, die Zweifel an der Zahlungsfähigkeit begründen könnten: „Zu einer vollständigen Risikodarstellung der Anlageform des Zertifikats gehört mithin auch, dass der Anleger erkennen kann, dass die Rückzahlung generell von der Bonität der jeweiligen Emittentin bzw. Garantiegeberin zum Zeitpunkt der Rückzahlbarkeit der Anleihe abhängt …… Auch wenn bezogen auf die konkrete Emittentin zum Zeitpunkt der Beratung keine Anhaltspunkte für eine drohende Zahlungsunfähigkeit bestehen, kann es für die Entscheidung des Anlegers dennoch von wesentlicher Bedeutung sein, dass er dieses Risiko - anders als bei anderen Anlageformen - bezogen auf die gesamte Laufzeit des Zertifikats übernimmt“, so der Bundesgerichtshof in seiner Begründung. Wurde der Kunde über das allgemein bestehende Emittentenrisiko informiert, dann muss kein gesonderter zusätzlicher Hinweis auf eine nicht bestehende Einlagensicherung erfolgen: „Weiß der Kunde um die Möglichkeit eines Totalverlustes, kann er nicht gleichzeitig auf das Eingreifen einer Einlagensicherung vertrauen“ (BGH, Urteil vom 27.09.2011 – XI ZR 178/10).

Anders beurteilt der Bundesgerichtshof die aber – klar zu trennende Frage, ob ein Anleger eine „sichere“ Geldanlage wünscht. In einem solchen Fall darf keine Geldanlage empfohlen werden, für die keine Einlagensicherung besteht (BGH, Urteil vom 14.07.2009 – XI ZR 152/08). Dann darf dem Kunden keine Anlage angedient werden, die keine entsprechende Sicherung aufweisen (so auch: BGH, Urteil vom 27.09.2011 – XI ZR 178/10).

Bei Medienfonds bedarf es eines besonderen und ausdrücklichen Hinweises, wenn ein Totalverlustrisiko besteht. Dieses Totalverlustrisiko darf hierbei nicht mit relativierenden Worst Case Szenarios abgeschwächt werden (BGH, Urteile vom 14.06.2007 – III ZR 125/05 und III ZR 185/05).


Anders sieht dies der Bundesgerichtshof demgegenüber bei Immobilienfonds. Aus einer Fremdkapitalquote ergibt sich bei einem Immobilienfonds für sich alleine kein strukturelles Risiko; anders als bei Medienfonds besteht daher grundsätzlich keine Hinweispflicht auf ein Totalverlustrisiko: „Die Beklagte zu 1) hat ihre Beratungspflicht nicht deshalb verletzt, weil sie nicht auf ein Totalausfallrisiko hingewiesen hat. Das Berufungsgericht ist insoweit rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, bei einem Immobilienfonds, dessen Fremdkapitalquote bei ca. 50% liegt, müsse stets auf das Risiko hingewiesen werden, der Anleger könne mit seinem gesamten Einlagekapital ausfallen. Ein solcher Grundsatz besteht nicht“ (so: BGH, Urteil vom 27.10.2009 – XI ZR 338/08). Der Bundesgerichtshof begründet seine Entscheidung mit dem Sachwert der Immobilie, der selbst bei unzureichendem Mietertrag den Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber steht: „Solange der Anteil der Fremdfinanzierung des Fonds und die damit verbundenen Belastungen - wie hier - im Prospekt zutreffend dargestellt sind, sind die sich daraus ergebenden, vom Berufungsgericht aufgezeigten Risiken allgemeiner Natur, Anlegern wie dem Kläger regelmäßig bekannt und damit nicht aufklärungsbedürftig. Etwas anderes kann sich dann ergeben, wenn weitere, dem Anleger unbekannte, risikoerhöhende Umstände hinzutreten, etwa ein überteuerter Erwerb der Immobilie, der Einsatz von Eigenkapital für investitionsfremde Zwecke oder der Verfall der betreffenden Immobilienpreise.“ (BGH, Urteil vom 27.10.2009 – XI ZR 338/08).

Es zeigt sich also, dass generelle Aussagen schwer zu treffen sind und es auf die besonderen Umstände des Einzelfalles sowohl auf der Ebene der anlagegerechten als auch der anlegergerechten Beratung ankommt.

Stuttgart, den 03.07.2012

Oliver Renner

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

 

-       Lehrbeauftragter der Fachhochschule Schmalkalden

für das weiterbildende Studium zum/r „Finanzfachwirt/in (FH)“

-       Lehrbeauftragter der Hochschule Pforzheim

-       Stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses

"Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht" der Rechtsanwaltskammer Stuttgart

-       Geldwäschebeauftragter der Rechtsanwaltskammer Stuttgart


WÜTERICH BREUCKER Rechtsanwälte