Vermittler haftet nicht bei Unkenntnis
von Jahresabschlüssen mit eingeschränktem Bestätigungsvermerk
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OLG München, Beschluss vom 01.03.2022 – 8 U 2846/21 –
anhängig beim BGH – III ZR 46/22 –
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sowohl ein Anlageberater als auch ein Anlagevermittler die von ihm einem Anlageinteressenten empfohlene Kapitalanlage auf Plausibilität hin zu überprüfen: „Der Vertrag verpflichtet den Berater/Vermittler einer Kapitalanlage jedenfalls dazu, die Plausibilität der Anlage zu untersuchen und dem Anleger seine diesbezüglichen Erkenntnisse mitzuteilen (BGH, Urteil vom 21. November 2019 – III ZR 244/18 –).
„Ob der Vertrag, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, auf eine Anlageberatung gerichtet war oder lediglich eine Anlagevermittlung zum Gegenstand hatte, kann auf sich beruhen. In beiden Fällen ist der Dienstleister jedenfalls zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände verpflichtet, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (z.B. Senat, Urteile vom 13. Mai 1993 - III ZR 25/92, NJW-RR 1993, 1114, 1115; vom 13. Januar 2000 - III ZR 62/99, NJW-RR 2000, 998 und vom 12. Juli 2007 - III ZR 83/06, NJW-RR 2007, 1690 Rn. 8). Dazu ist es - jedenfalls grundsätzlich - erforderlich, dass sich der Dienstleister vorab selbst hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und der Bonität des Kapitalsuchenden informiert. Liegen dazu objektive Daten nicht vor oder verfügt der Dienstleister mangels Einholung entsprechender Informationen insoweit nur über unzureichende Kenntnisse, so muss er dies dem anderen Teil offenlegen (Senat, Urteile vom 13. Mai 1993 und vom 13. Januar 2000 jew. aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Oktober 2008 - XI ZR 89/07, BGHZ 178, 149, 153 Rn. 14), so der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 21.11.2019 (BGH, Urteil vom 21. November 2019 – III ZR 244/18 –).
Was allerdings konkret zu überprüfen ist respektive welche Nachforschungen anzustellen sind, darüber herrscht Unsicherheit.
Das Oberlandesgericht München hat die Nachforschungspflichten des Anlagevermittlers/-beraters in Bezug auf Jahresabschlüsse mit eingeschränktem Bestätigungsvermerkt konkretisiert.
Hat der Anlagevermittlers Kenntnis vom Vorhandensein nur eingeschränkter Bestätigungsvermerke in Jahresabschlüssen kann eine entsprechende Aufklärungspflicht gegenüber dem Anleger bestehen.
Bei fehlender Kenntnis vom Vorhandensein eingeschränkter Bestätigungsvermerke ist ein freier Anlagevermittler grundsätzlich nicht verpflichtet, im Rahmen der Plausibilitätsprüfung weitere Nachforschungen anzustellen und sich Kenntnis von den Jahresabschlüssen und den eingeschränkten Bestätigungsvermerken zu verschaffen, um dies dem Anleger vor Vertragsschluss mitzuteilen. Lediglich bei Vorliegen zusätzlicher Anhaltspunkte kann dieser ausnahmsweise zu weitergehenden Nachforschungen verpflichtet sein. Bei einem seit Jahrzehnten eingeführten erfolgreichen Anlagemodell, bei dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keinerlei Ausfälle bekannt wurden und keine negative Berichterstattung der Wirtschaftspresse vorlag, liegen derartige Anhaltspunkte nicht vor, so das Oberlandesgericht München in seiner Entscheidung vom 01.03.2022 (OLG München, Beschluss vom 1. März 2022 – 8 U 2845/21 –).
Die Klage des Anlegers gegen den Vermittler wurde abgewiesen und die hiergegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, sondern beim Bundesgerichtshof anhängig.
Stuttgart, den 13.07.2022
Oliver Renner
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
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