Verwahrentgelte bei Giro- und Tagesgeldkonten sind unzulässig
Landgericht Berlin, Urteil vom 28.10.2021 – AZ.: 16 O 34/21 -
Für die Verwahrung von Einlagen auf Tagesgeld- und Girokonten dürfen Banken keine Verwahrentgelte verlangen. Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 28.10.2021 – Aktenzeichen: 16 O 34/21 – der Klage des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen die Sparda Bank Berlin stattgegeben. Klauseln im Preisverzeichnis der Bank zu Verwahrentgelten wurden für unzulässig erklärt. Allen betroffenen Kunden/Kundinnen muss die Bank nunmehr die unrechtmäßig eingezogenen Beträge wieder erstatten.
Hintergrund
Das Preisverzeichnis der Bank sah vor, dass ab August 2020 für Giro- und Tagesgeldkonten ein sogenanntes Verwahrentgelt erhoben wird. Für Einlagen auf Girokonten über € 25 TSD und auf Tagesgeldkonten über € 50 TSD. verlangte die Bank 0,5% p.a. Praktisch hatte dies zur Folge, dass auf einen Teil der Einlage Negativzinsen zu zahlen waren.
Hiergegen hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Klage gegen die Bank erhoben.
Urteil
Das Landgericht Berlin hat der Klage stattgegeben. Die Verwahrung stelle keine Sonderleistung der Bank dar, sondern es ist gerade die vertragliche Verpflichtung der Bank. Ohne „Verwahren“ kann ein Girokonto nicht betrieben werden. Hierbei darf der Darlehensnehmer nicht zur Zinszahlung auf seine Einlagen verpflichtet werden. Zwar könne der Einlagenzins auf Null fallen, aber nicht in Minus kommen.
Auswirkung
Den von der unzulässigen Klausel betroffenen Kunden muss die Bank nunmehr die zu Unrecht erhobenen Verwahrentgelte zurückzahlen. Das Urteil hat auch Bedeutung für andere Kreditinstitute, die vergleichbar Verwahrentgelte erhoben haben. Betroffene Kunden müssen hier aber selbst aktiv werden und prüfen lassen, ob sie mit Aussicht auf Erfolg eine Rückerstattung verlangen können.
Problematisch könnte aber sein, dass ggf. die Banken berechtigterweise Giro- und Tagesgeldkonten kündigen können.
Hierzu muss üblicherweise ein sachgerechter Grund vorliegen. Nach einem Urteil des Landgerichts Köln vom 3.12.2020 liegt ein zur Kündigung berechtigender Grund vor, wenn der Kunde auf seinem gebührenfrei geführten Girokonto eine Einlage in Höhe von über 13 Mio. Euro vornimmt, in deren Folge die Sparkasse verpflichtet ist, Negativzinsen an die EZB in Höhe von 0,5 % p.a. zu zahlen. Dies stellt eine nachvertraglich eintretende Äquivalenzstörung dar, die eine derartige Veränderung der Verhältnisse herbeiführt, dass dem Kreditinstitut die weitere gebührenfreie Führung des Girokontos nicht mehr zuzumuten ist. Das Kreditinstitut ist insbesondere dann zur Kündigung berechtigt, wenn eine Konditionenanpassung als milderes Mittel nicht in Betracht kommt, weil der Kunde die Vereinbarung eines Verwahrentgeltes bzw. eines Negativzinses abgelehnt (LG Köln, Urteil vom 03. Dezember 2020 – 22 O 23/20 –).
Durch die Hintertür könnte damit wieder das Verwahrentgelt zur Vermeidung einer Kündigung wieder im Raum stehen. Auch Kreditinstitute sind gehalten, nach kaufmännischen Grundsätzen zu handeln. Verweigert der Kunde insbesondere bei sehr hohen Einlagen auf Giro- oder Tagesgeldkonten eine Anpassung des Vertrages – rechtlich durch den Abschluss einer Verwahrentgeltvereinbarung oder tatsächlich durch eine Reduzierung/Umschichtung des Guthabens – kann der Bank als Ultima Ratio das Recht zur ordentlichen Kündigung zugebilligt werden.
Bei hohen Einlagen sollten daher individuelle Lösungen gefunden werden, um am Ende die Kündigung zu vermeiden.
Pauschal Verwahrentgelte für unzulässig halten wäre fatal. Dies wäre ein Pyrrhussieg für Verbraucher.
Stuttgart, den 19.11.2021
Oliver Renner
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
c/o Wüterich Breucker Rechtsanwälte Partnerschaft mbH
Charlottenstr. 22 - 24
70182 Stuttgart
Telefon: 0711/23992-0
Telefax: 0711/23992-29