Vorkaufsrecht Mieter muss nicht höheren Kaufpreis zahlen

Veröffentlicht am 04.04.2022

Vorkaufsrecht Mieter muss nicht höheren Kaufpreis zahlen

Vorkaufsrecht – Mieter muss nicht höheren Kaufpreis zahlen

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BGH, Urteil vom 23.02.2022 – VIII ZR 305/20 -

Der Bundesgerichtshof mit seinem Leitsatzurteil vom 23.02.2022 – Aktenzeichen: VIII ZR 305/20 – betreffend das Mietervorkaufsrecht wie folgt entschieden:

„Die in einem Kaufvertrag über eine mit einem Vorkaufsrecht des Mieters belastete Eigentumswohnung zwischen dem Vorkaufsverpflichteten (Verkäufer) und dem Dritten (Erstkäufer) getroffene Abrede, wonach der Vorkaufsberechtigte (Mieter) einen höheren Preis zu bezahlen hat als der Erstkäufer, stellt eine in Bezug auf den höheren Preis unzulässige und deshalb insoweit unwirksame Vereinbarung zu Lasten Dritter dar. Das gilt auch dann, wenn der Erstkäufer - wie in der hier zu beurteilenden Preisabrede vorgesehen - den höheren Kaufpreis nur ausnahmsweise (unter bestimmten engen Voraussetzungen) zu entrichten hat, während der Vorkaufsberechtigte diesen bei Ausübung des Vorkaufsrechts stets schuldet.“

Sachverhalt:

Die Klägerin war seit dem Jahr 2011 vorkaufsberechtigte Mieterin einer 46,60 m² großen unsanierten Wohnung in einem Mehrparteienhaus in Berlin. Die Beklagte, die seinerzeit die Eigentümerin des Hauses und Vermieterin war, teilte das Haus im Jahr 2015 in Wohnungseigentumseinheiten auf. Mit notariellem Vertrag vom 6. Dezember 2016 verkaufte die Eigentümerin die an die Klägerin vermietete Wohnung an einen Käufer.

Der Kaufvertrag enthielt folgende Vereinbarung:

“Der Kaufpreis für den vorbezeichneten Grundbesitz beträgt 163.266,67 EUR (…). Die Parteien gehen davon aus, dass Bemessungsgrundlage des Wohnungskaufpreises in Höhe von 163.266,67 EUR die Lieferung des Wohnungseigentums ohne Mietverhältnis mit einem Dritten ist. Der Kaufgegenstand ist derzeit vermietet. Es gilt ‘ohne Mietverhältnis mit einem Dritten‘ zu liefern, soweit der Mieter sein Vorkaufsrecht ausübt oder der Verkäufer dem Käufer binnen eines Monats nach Beurkundung nachweist, dass das Mietverhältnis aufgelöst oder gekündigt ist. Wird das Wohnungseigentum [ent]gegen vorstehender Beschreibung mit dem laufenden oder einem anderen Mietverhältnis geliefert, mindert sich der Kaufpreis um 10 % auf 146.940,00 EUR für das Wohnungseigentum.“

Er enthielt außerdem eine "salvatorische Klausel", wonach die etwaige Unwirksamkeit oder Undurchführbarkeit einer Vertragsbestimmung die Gültigkeit des Vertrags im Übrigen nicht berühren und in diesem Fall eine dem wirtschaftlichen Ergebnis der unwirksamen oder undurchführbaren Klausel möglichst nahekommende Regelung gelten soll.

Die vorkaufsberechtigte Mieterin erklärte gegenüber dem empfangsbevollmächtigten Notar rechtzeitig, sie übe das ihr als Mieterin zustehende Vorkaufsrecht aus. Dabei wies sie darauf hin, dass sie die getroffene Kaufpreisregelung für unwirksam halte, soweit der vorkaufsberechtigte Mieter einen um 10 % höheren Kaufpreis zahlen solle als der Erstkäufer. Sie bezahlte unter dem Vorbehalt der teilweisen Rückforderung 163.266,67 € an die Beklagte, die Eigentümerin.

Verfahren:

Die vorkaufsberechtigte Mieterin verklagte die Vermieterin/Eigentümerin auf Zahlung von € 16.326,67. der Das Landgericht Berlin hat der auf Rückzahlung von 16.326,67 € nebst Zinsen gerichteten Klage mit Ausnahme eines geringen Teils der Zinsforderung stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten vor dem Kammergericht Berlin hatte keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Urteil:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision mit Urteil vom 23.02.2022 – Aktenzeichen: VIII ZR 305/20 – zurückgewiesen.

„Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die in dem Wohnungseigentumskaufvertrag getroffene Preisabrede, soweit sie für den - hier eingetretenen - Fall der wirksamen Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Mieter einen Kaufpreis in Höhe von 163.266,67 € und damit einen um 16.326,67 € höheren als denjenigen Kaufpreis vorsieht, den der Dritte (Erstkäufer) im Fall des Fortbestehens des Mietverhältnisses schuldete (146.940 €), der Klägerin gegenüber unwirksam ist. Dieser steht daher aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des rechtsgrundlos über den Betrag von 146.940 € hinaus geleisteten Kaufpreises, mithin in Höhe von 16.326,67 € zu.“, so der Bundesgerichtshof.

Fazit:

Entgeltabreden, die unterschiedliche Preisbedingungen einerseits für den Erstkäufer und andererseits für den Vorkaufsberechtigten vorsehen sind nicht deshalb als unwirksam anzusehen, weil die vermietete Wohnung für den Erwerber einen geringeren Wert hat.

Der Verkäufer hat in einem solchen Fall „nur“ Eigentum an einer vermieteten Wohnung. Dieser Nachteil kann nicht auf Kosten eines vorkaufsberechtigten Mieters ausgeglichen werden.

 

Stuttgart, den 01.04.2022

 

Oliver Renner

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

 

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