Pressemitteilung
Widerruf und Rückabwicklung von Steuersparimmobilien
Pyrrhussieg für Anleger?
"Noch ein solcher Sieg und wir sind verloren"
Seit Mitte der neunziger Jahre besteht zwischen Banken und tausenden von Anlegern in ganz Deutschland Streit über die Frage, ob und wie sich Anleger von Steuersparimmobilien mit Hilfe des Haustürwiderrufsgesetzes von ihren Kreditverträgen sowie Immobilien gegenüber den finanzierenden Banken "schadlos" halten können. Die Entwicklung der Rechtsprechung auf diesem Gebiet erinnert an den kriegerischen Molosserkönig Pyrrhus. 319 vor Christus geboren, bestieg Pyrrhus als König der Molosser und Hegemon von Epiros im Jahre 306 noch minderjährig den Thron, von dem ihn 302 Kassandros verdrängte. 297 gewann er seine Herrschaft zurück und führte mehrere erfolgreiche Feldzüge in Makedonien, Thessalien und Illyrien. Nach dem Verlust Makedoniens 284 richtete sich sein Augenmerk auf Italien, wo die Stadt Tarentum ihn 280 gegen Rom zu Hilfe rief. Pyrrhus schlug die Römer 280/279 in den Schlachten von Herakleia und Asculum, erlitt aber bei diesen Siegen so hohe Verluste, dass sie als "Pyrrhussiege" sprichwörtlich wurden. Pyrrhus soll seinerzeit gesagt haben: "Noch ein solcher Sieg und wir sind verloren".
Der "Kampf" der Anleger gegen die als bankenfreundlich zu bezeichnende Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ist mit der Geschichte des Pyrrhus durchaus vergleichbar.
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wollte zunächst Kreditverträge, die über Grundpfandrechte abgesichert sind (sogenannte Realkredite) gar nicht in den Anwendungsbereich des Haustürwiderrufsgesetzes einbeziehen. Dem hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner "Heininger Entscheidung" eine Absage erteilt (EuGH, Urteil vom 13.12.2001 - Rs. C 481/99). Danach konnten Anleger gegenüber den Banken ihre Darlehensverträge nach den Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes widerrufen.
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat hierauf folgend jedoch einschränkend entschieden, dass es sich bei den maßgeblichen Darlehen um Hypothekar- oder Realkredite handelt und mithin kein verbundenes Geschäft zwischen dem Darlehen und der erworbenen Immobilie bestehe. Zudem machte der Bundesgerichtshof einen wirksamen Widerruf des Darlehensvertrages davon abhängig, dass die Bank wusste oder hätte wissen müssen, dass der Anleger überhaupt in einer Haustürsituation zu dem Geschäft geworben worden ist. Dies hatte zur Folge, dass das Darlehen gegenüber der Bank bei einem erfolgreichen Widerruf isoliert rückabzuwickeln war. Der Anleger musste danach an die Bank das komplette Darlehen zzgl. marktüblicher Verzinsung zurückzahlen und blieb auf der Immobilie "sitzen".
Der erste Pyrrhussieg der Anleger.
Sowohl das Landgericht Bochum als auch das Oberlandesgericht Bremen gingen mit dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht konform und sahen darin einen Verstoß gegen die Vorgaben des Europäischen Rechts. Beide Gerichte haben daher dem EuGH die Frage vorgelegt, ob diese Rechtsprechung mit der europäischen Haustürgeschäfte Richtlinie zu vereinbaren ist.
Der EuGH hat hierzu am 25.10.2005 zwei mit Spannung erwartete Urteile verkündet. Wir haben diese Urteile ausgewertet und kommen zum Ergebnis, dass die Urteile für viele Anleger nicht den erhofften Durchbruch darstellen.
Der EuGH hat zwar zunächst der deutschen Rechtsprechung eine klare Absage erteilt, dass es für einen wirksamen Widerruf ausreicht, wenn der Anleger in einer Haustürsituation überrumpelt worden ist. Ob die Banken dies wussten oder wissen mussten darf nach dem EuGH nicht als zusätzliche Voraussetzung für einen wirksamen Widerruf herangezogen werden.
Allerdings hat der EuGH nach hiesiger Einschätzung die vom XI. Zivilsenat in ständiger Rechtsprechung bestehende Trennungstheorie gestützt. Eine isolierte Rückabwicklung des Darlehensvertrages - wie oben dargestellt - verstößt danach grundsätzlich nicht gegen die Vorgaben des europäischen Rechts.
Nur für den Fall, dass der Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht von der Bank belehrt wurde ist und er bei einer erfolgten Belehrung und einem Widerruf die mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken noch hätte vermeiden können hat der Verbraucher die Folgen der Verwirklichung dieser Risiken wohl nicht zu tragen.
Danach sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden:
Wenn der Verbraucher vor Abschluss des Darlehensvertrages bereits auch das Erwerbsgeschäft eingegangen ist, also die Immobilie schon gekauft hatte, hätte der Anleger durch einen Widerruf das Risiko vermeiden können. Nur in diesem Fall dürften die Banken das Risiko tragen.
In den Fällen, in denen das Erwerbsgeschäft, also der Kauf der Immobilie nach Abschluss des Kreditvertrages erfolgte wurde das Risiko erst mit dem späteren Erwerbsgeschäft geschaffen. Dies hätte der Anleger selbst bei einem Widerruf des Darlehens nicht vermeiden können. In einem solchen Fall hat der Anleger dann das Risiko zu tragen.
Nach hiesiger Einschätzung ist die Mehrzahl der betroffenen Anleger zur zweiten Fallgruppe zu zählen, bei denen also der Darlehensvertrag vor dem Immobilienkaufvertrag abgeschlossen wurde.
Für viele Anleger dürft es sich daher um den zweiten Pyrrhussieg handeln.
Es bleibt zunächst abzuwarten, wie die deutschen Gerichte die beiden Urteile des EuGH umsetzen. Nach erster Auswertung der Urteile des EuGH ist jedoch Skepsis angebracht, ob die gewünschten Rechtsfolgen eintreten werden. Zumal immer auch der individuelle Einzelfall dahingehend zu prüfen ist, ob überhaupt eine zum Widerruf berechtigte Situation vorlag und auch bewiesen werden kann.
Anlegern ist vielmehr zu empfehlen, aufgrund der Komplexität der Rechtslage sowie zur Prüfung des individuellen Falls anwaltlichen Rat einzuholen.
Vor allzu großer Euphorie sowie vor "Massenverfahren" ist zu warnen. Bei jedem einzelnen Fall muss individuell geklärt werden, ob überhaupt eine zum Widerruf berechtigte Situation gegeben war und ob diese auch bewiesen werden kann.
Stuttgart, den 03. November 2005
gez. Rechtsanwalt Oliver Renner
WÜTERICH BREUCKER Rechtsanwälte
PM-08-05-EuGH.pdf